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Trotz Handicap das Leben meistern – das Aufstehbett im Alltag

An diesem Morgen versucht er aus seinem Kastenbett aufzustehen, doch er schafft es nicht. Seine schwachen Hände umschließen die Haltegriffe, die ihm aus seinem Bett helfen sollen. Gestern hatte er noch genug Kraft um sich aufzurichten. Aber heute hat sie ihn verlassen. Da liegt er nun, unfähig aufzustehen. Der alte Mann hat keine Möglichkeit Hilfe zu rufen. Mehrere Stunden vergehen, bis Opa Jochen es endlich schafft alleine aufzustehen. Ein Aufstehbett hätte ihn in 67 Sekunden aufgerichtet.

„Das RotoFlex® ermöglicht immobilen Menschen neue Handlungsspielräume und ist ein Schritt zurück in die Selbstständigkeit“, so Florian Kleeberg, Junior Manager der PhysioNova GmbH, ein Familienunternehmen in Steudach bei Erlangen. Das Aufstehbett könnte Opa Jochen jeden Morgen in einer passiven und schmerzfreien Bewegung in den Stand und wieder zurück bringen. Und das von ganz allein: Vier Elektromotoren, die in das Bettgestell integriert sind, bringen Jochen per Handschalter in die Position, die er gerne hätte: Liegen, Sitzen und Aufstehen. Die vier Motoren sorgen für die eigentliche Drehbewegung, für die Bewegung des Fußbereichs und die des Rückens.

Mikroschalten registrieren die korrekte Position

Jochen drückt den roten Knopf auf der Fernbedienung und das Bett kommt in Bewegung. Zuerst werden seine Beine angehoben, danach der Rückenbereich. Jetzt dreht sich das Bett in einer Wannenposition um 90 Grad und richtet den betagten Mann langsam auf. Die kurze Sitzfläche drückt ihn beim Aufstehen sanft in die stehende Position. Der Punkt, an dem die Bewegung der Motoren aufhört, ist mit Mikroschaltern markiert. Sie registrieren, wann die korrekte Position erreicht ist. Fehler sind quasi ausgeschlossen. Mikroschalter, Handschalter und die Motoren laufen in einer Steuerung zusammen, in der ein Mikroprozessor verbaut ist.

Das Aufstehbett ist nicht als solches zu erkennen

Das Bett ist so konzipiert, dass es nicht umfallen kann, um Stürze durch zu energisches Einsteigen zu vermeiden. Eine direkte Vernetzung des Bettes, wie etwa eine Alarm-SMS an Mama, wenn Opa Jochen am Morgen gar nicht aufgestanden ist, ist nicht geplant. Jedoch soll eine Schnittstelle zur Verfügung gestellt werden, damit das Bett in ein bestehendes Smart Home integriert werden kann. Das Aufstehbett gibt es auch in der Einbauvariante: niemand wird merken, dass es sich um ein spezielles Pflegebett handelt.

Dritter Platz als “Bestes realisiertes Projekt”

Das Aufstehbett ist Teil der 140 Quadratmeter großen Musterwohnung des Projekts Ermündigung, ein AAL (Ambient Assisted Living) Gemeinschaftsprojekt der OTB mit über 50 Partnern aus Forschung, Industrie und Dienstleistung. Die SmartHome Initiative Deutschland e.V. initiierte einen Wettbewerb, bei dem marktfähige Produkte und Lösungen ausgezeichnet werden, um Menschen anzuregen, selbst auch moderne Technik einzusetzen. Die Bewerber messen sich in den Kategorien Energieeinsparung, Leben im Alter (AAL) und Verbesserung der Sicherheit. In der Kategorie „Bestes realisiertes Projekt“ erreichte das Projekt den dritten Platz. AAL ist keine Neuigkeit – doch die Zusammenfassung verschiedener Systeme schon.

Körperliche Entlastung für Pflegekräfte

Die examinierten Altenpflegekräfte Julian Glaubitz und Dorothea Olbricht halten technische Hilfen wie das RotoFlex® für einen sinnvollen Fortschritt. Patiententransfers sind im Pflegesegment eine Situation, die häufig auftritt und nicht nur den Rücken belastet. Die Pflegekräfte werden körperlich entlastet und der Patient kann sich an eine immer gleichbleibende, sichere Routine beim Aufstehen gewöhnen. „So lassen sich Stürze gezielt vermeiden“, so die Altenpfleger. An ihrem Arbeitsplatz werden Patienten, die sich nur schlecht bewegen können, durch einen elektrischen Lifter aufgerichtet – ein Tuch wird um den Patienten gelegt, anschießend eingehakt und vom Lifter hinaufgezogen.

Senioren wünschen sich Selbstständigkeit

Das ist bereits eine Erleichterung – doch über die Anschaffung von Aufstehbetten am eigenen Arbeitsplatz würden sie sich freuen. Trotzdem raten sie: Das unterstützte Aufstehen sollte bei bestimmten Diagnosen beaufsichtigt werden. Demente könnten während des Aufrichtens versuchen aufzustehen.
„Weiter selbständig im Alltag leben können – das wünschen sich Senioren“, sagt Annette Kaltwasser, Medizinerin der geriatrischen Station eines Nürnberger Klinikums. Sie spüren täglich, wie die körperlichen und geistigen Kräfte, die sie dazu brauchen langsam nachlassen. Und das macht ihnen Angst.

Selbstständigkeit bedeutet Lebensqualität

Hilfssysteme, die einfach zu handhaben sind und Sicherheit bieten, erleichtern die selbständige Lebensführung und erhalten so die Selbstversorgungsfähigkeit. Gerade der Positionswechsel vom Liegen in den Sitz zum Stand ist im Routinealltag ein häufiger Bewegungsablauf. Auch im Sinne der Sturzprävention sind diese technischen Hilfen sinnvoll. Gleichgewicht, Muskelkraft und Koordination lassen mit zunehmendem Lebensalter nach, sodass es häufig zu Stolper- oder Sturzereignissen mit Verletzungsfolgen kommt. „Hilfs- und Assistenzsysteme wie zum Beispiel das Aufstehbett können Senioren selbstständige Lebensführung möglich machen. Und das bedeutet Lebensqualität“, so Kaltwasser.

Von Lena Kaltwasser

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