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Elektrochips statt Mindesthalbarkeitsdatum?

Laut Studien vom WWF und dem Bundeslandwirtschaftsministerium werden von der Industrie bis einschließlich zum Verbraucher, pro Tag in Deutschland 27.000 Tonnen an Nahrungsmitteln weggeworfen. Werden Elektrochips auf den Verpackungen nun bald das Mindesthaltbarkeitsdatum ablösen?

Die Studien zeigen, dass ein Großteil der weggeworfen Nahrungsmittel deutlich reduziert bzw. vermeidbar wäre. Ein Teil der Verluste entfällt auf Produktions-, Ernte- und Verteilungsprozesse der Industrie. Privathaushalte sind für mehr als die Hälfte der weggeworfenen Lebensmittel verantwortlich. Die Produkte werden nicht rechtzeitig verbraucht bzw. zu früh weggeworfen. Bundesagrarminister Christian Schmidt forderte deshalb im März die Abschaffung des Mindesthaltbarkeitsdatums auf allen Verpackungen. Er möchte diese mit elektronischen Chips ersetzen.

Der Irrtum um das Mindesthaltbarkeitsdatum

Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist seit über 30 Jahren in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. Das Datum gibt aber tatsächlich nur an bis zu welchem Zeitpunkt das Lebensmittel seine speziellen Eigenschaften behält: Geschmack, Geruch, Farbe, Konsistenz und Nährwert. Es ist also kein Verfallsdatum ab dem die Lebensmittel nicht mehr genießbar sind. Der Hersteller garantiert damit lediglich eine bestimmte Qualität des Produktes bis zum jeweiligen Datum.

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Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist seit über 30 Jahren in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben.

Doch nun ist endlich eine Lösung in Sicht. Die intelligente Verpackung soll helfen. Auf den Kartons und Bechern soll in naher Zukunft ein Chip angebracht werden. Der Chip ist auf einem kleinen Streifen montiert. Auf der Verpackung wird dann das Datum angezeigt und es ist zu sehen, wie lange das Produkt noch haltbar ist. Das intelligente an der Verpackung ist, dass sich der Stichtag auf dem Karton verändert. Sobald das Produkt nicht richtig gelagert wird verkürzt sich das MHD. Beispielsweise bei Milch und Joghurt wird das angegebene Datum kürzer, sobald sie nicht kühl genug aufbewahrt werden.

Dank intelligenter Verpackung können alle sparen

Dabei profitieren alle. Der Handel kann kontrollieren ob seine Kühlkette eingehalten worden ist, der Hersteller hat den Überblick ob ein Fahrer die Kühlkette nicht einhält und der Endverbraucher, der eine korrekte Angabe über das Verfallsdatum erhält. Es gibt zwei verschiedene Varianten . Eine Möglichkeit sind Elektro-Chips für Verpackungen. Sie sind auf einer Folie aufgedruckt, die die Temperatur und den PH-Wert mit einem Sensor ermitteln. So kann dann das Datum ständig angepasst werden, sobald sich Temperatur oder PH-Wert verändern.

Dazu enthalten diese Chips einen Farbindikator. Der Indikator misst die Zersetzungsprodukte die entstehen, wenn Fleisch beginnt zu verderben. Ab einem bestimmten Grad verfärbt sich der Indikator. So signalisiert er dem Konsumenten, dass das Fleisch nicht mehr gegessen werden sollte.  Jedoch ist diese Methode noch nicht marktreif und viele Forschungsfragen sind weiterhin offen. Karl Heinz Brock von der TU-Dresden rechnet laut aktuellem Forschungstand in etwa drei bis fünf Jahren mit solchen Verpackungen – allerdings auch nur für bestimmte Lebensmittel.

Eine weitere Alternative ist eine Art Temperatur-Label. Diese Etikett kann überprüfen ob die Kühlkette vom bedruckten Lebensmittel eingehalten wird. Mit einer Farbskala zeigt es dem Verbraucher an ob das Produkt noch verzehrbar ist. Solch eine Etikett würde lediglich etwa 2-3 Cent kosten. Zum Vergleich: Die Lebensmittel die in Deutschland im Müll landen, haben jährlich einen gesamt Gegenwert von 20 Milliarden Euro. Das sind 235 Euro im Jahr pro Kopf.

Im Jahr 2014 fielen etwa 9,8 Millionen Tonnen biogene Siedlungsabfälle an.

Der Elektrochip für Verpackungen ist bisher nur eine Idee und wird noch einige Jahre brauchen bis er tatsächlich eingesetzt werden könnte. Das Temperatur-Label würde bereits 2008 von Edeka eingesetzt. Allerdings aufgrund fehlender marktreife konnte sich der Chip nicht durchsetzen. Vielleicht waren aber auch schon die 2-3 Cent zusätzlich Kosten, zu viel im hart umkämpften Discounter-Markt.

Das Problem

Die Industrie baut beim Mindesthaltbarkeitsdatum ein zeitliches Polster ein. Es soll verhindern, dass die Ware vor dem MHD verdirbt. Die Lebensmittel sind also tatsächlich länger verzehrbar.
Um sich jedoch aus Haftungsgründen zu einhundert Prozent abzusichern, wird die Industrie wahrscheinlich auch bei Elektrochips auf diese Zeitliche “Polster” setzen. Mit einer Informationskampagne könnte man dem Verbraucher die wahre Bedeutung aufzeigen und so Missverständnisse verhindern.

Die Grünen kritisierten den Vorschlag von Agrarminister Christian Schmidt: “Der Löwenanteil des Lebensmittelabfalls sind Produkte wie Brot, Obst und Gemüse, die kein Mindesthaltbarkeitsdatum haben.

Honig beispielsweise wird nie schlecht solange Sie ihn verschließen, kühl und trocken lagern.

Die Studien zeigen gewisse Gemeinsamkeiten auf. Der Endverbraucher hat maßgeblichen Anteil hat an der Verschwendung von Lebensmitteln. Erkennbar ist allerdings auch, dass das Problem nicht nur beim Konsumenten liegt. Die Industrie kann beispielsweise ihre Produktions-, Ernte- und Verteilungsprozesse besser optimieren und kürzere Puffer beim Mindesthaltbarkeitsdatum wählen.

Fazit

Die Industrie müsste ihr ökonomisches Kalkül hinsichtlich des MHD ändern und ihre Prozesse optimieren. Der Verbraucher sollte über die tatsächlich Bedeutung des Mindesthaltbarkeitsdatums aufgeklärt werden. Für die Umsetzung der Idee von “intelligenter Verpackungen” müssten Industrie und Politik zusammen mehr in die Forschung investieren um diese marktreif zu machen.

Quellen/Studien:

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