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„Spannende Zeiten“ für Industrie 4.0

Auf der Automatisierungs-Messe SPS IPC Drives in Nürnberg war Industrie 4.0 ein großes Thema. Unternehmen zeigten dem internationalen Fachpublikum ihren Beitrag zur vierten industriellen Revolution. Industrievertreter sehen gute Chancen für das deutsche Exportprodukt Industrie 4.0 und fürchten sich auch vor ausländischer Konkurrenz nicht. Trotzdem wissen viele nichts mit Industrie 4.0 anzufangen.

Ein wichtiger Termin auf der Automatisierungsmesse war die Podiumsdiskussion „Chancen und Grenzen der Industrie 4.0“, die von Reinhard Hüppe (new automation e.V.) moderiert wurde. Geladen waren mehrere Experten aus dem Bereich der industriellen Automatisierung.
Für viele Firmen und Kunden ist die Idee, die hinter der vierten industriellen Revolution steckt, jedoch noch nicht greifbar. Für Wolfgang Horn von Rexroth/Bosch ist sie eine „Zukunftstechnologie“. In der Vergangenheit seien zwar „viele Projekte gescheitert, bei der Industrie 4.0 soll das aber nicht so werden“, sagte Horn, der als Podiumsteilnehmer fungierte.
Anders sah das Gerd Hoppe von Beckhoff Automation. Für Hoppe ist Industrie 4.0 eigentlich kein Zukunftsprojekt, denn „wir machen das schon seit 25 Jahren“. Man müsse die Kunden eben dort abholen wo sie existieren, wie 1968, als der Industrie-PC eingeführt wurde. Ähnlich sah das auch André Uhl von Schneider Electric Automation: „Die Technologie, die Sensorik und die RFID Chips gibt es schon lange. Es gibt Erfolgsgeschichten aus Häusern, wo Industrie 4.0 schon längst passiert“. Johann Soder von SEW Eurodrive erklärte, dass Unternehmen den Mut haben müssen um voranzugehen. SEW Eurodrive fertigte einen mobilen Logistikassistenten, bei dem das Unternehmen die neuen Ansätze der virtuellen Vernetzung und Steuerung schon umsetze. „Mensch und Technik müssen intelligent vernetzt werden“, lautet die Devise bei Soder.

Industrial Internet vs. Industrie 4.0

Was in Deutschland als Industrie 4.0 bezeichnet wird, nennt man im angelsächsischen Raum Industrial Internet. Angela Merkel hat laut Medienberichten die europäische Industrie deswegen schon vor Monaten aufgefordert, eine Aufholjagd in Sachen Informations- und Telekommunikationstechnologie zu starten. Auch Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) sagte: „Wir müssen im Netzwerken und Kooperieren noch besser werden, als wir es schon heute sind“ und warnte zeitgleich: „Bei den IKT-Märkten sind die Europäer weit abgeschlagen(..). Die Global Player ordnen die digitale Wirtschaft neu und Deutschland verliert den Anschluss an die Weltelite“.

Podiumsteilnehmer (v.l.): Johann Soder, André Uhl, Bernd Kärcher, Wolfgang Horn, Gerd Hoppe
Podiumsteilnehmer (v.l.): Johann Soder, André Uhl, Bernd Kärcher, Wolfgang Horn, Gerd Hoppe

Die Thematik beschäftigte auch einen Zuhörer der Podiumsdiskussion, der erfahren wollte, wie deutsche Unternehmen mit dem Konkurrenzprodukt „Indsutrial Internet“ aus Übersee umgehen werden. Laut dem Unternehmen „General Electric“ (GE), welches den Begriff „Industrial Internet“ hauptsächlich prägt, könne diese Technologie mit bis zu 15 Billionen US-Dollar zum globalen Bruttoinlandsprodukt beitragen. Gerd Hoppe besänftigte jedoch: „Keine Angst vor mächtigen Initiativen aus anderen Ländern, den eigenen Weg gehen führt zum Erfolg“.

Ein weiteres wichtiges Thema im Komplex Industrie 4.0 ist die Sicherheit. Via Internet sollen in Zukunft einzelne Fabriken gesteuert und Vorgänge kommuniziert werden. Ein riesiges Datenvolumen wird entstehen, dass nicht nur für die eigenen Techniker interessant werden wird, sondern auch Hackern und somit der Industriespionage Tür und Tor öffnen könnte. Gerd Hoppe erklärte dazu: „Je offener und durchgängiger die Informationen sind, desto mehr Schutzmechanismen werden benötigt. Künftig wollen Kunden bis in interne Protokolle eingreifen. Daran muss die IT-Branche eben arbeiten“. Auch André Uhl nahm sich dem Thema an und sagte: „Es ist schwierig einen Kompromiss zu finden, zwischen einer Steuerung die alles kann und dabei alle Sicherheitsmechanismen leistet“.

Studie: 24% haben noch nie von Industrie 4.0 gehört

Trotz der offensichtlichen Grenzen, an denen bei der Zukunftstechnologie Industrie 4.0 noch gearbeitet werden muss, prognostizierten die Podiumsteilnehmer eine chancenreiche Zukunft. André Uhl und Gerd Hoppe sprachen von einer „spannenden Zeit“ für die europäische Industrie. Einigkeit herrschte auch dahingehend, dass für das Gelingen von Industrie 4.0 die Standardisierung und Normung bei der Umsetzung eine zentrale Rolle spielen müsse. Informationen sollen zukünftig über neue Kanäle und Unternehmensgrenzen transportiert werden. Johann Soder resümierte: „Mensch und Technik intelligent zu verbinden, macht uns zu Gewinnern bei Industrie 4.0“.

Dass in Deutschland der Begriff Industrie 4.0 aber selbst in der Automobil- und Fertigungsindustrie noch ziemlich unbekannt ist, zeigt eine neue Studie der Porsche-Tochter MHP, die am Montag veröffentlicht wurde. Demnach haben 24% der Befragten noch nie von Industrie 4.0 gehört und nur die Hälfte der Befragten ist der Ansicht, dass sich die Industrie im Übergang zur vierten Revolution befindet. Immerhin erwarten 80% einen hohen Nutzen für ihr Unternehmen.
Es bleiben spannende Zeiten.