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Novel Foods: Insekten im Pausenbrot

Käfer, Würmer, künstliche Milch oder in einer Petrischale herangezogenes Fleisch? Dass in Zukunft Novel Foods wie Mehlwürmer die Gelbwurst auf dem Pausenbrot ersetzen ist gar nicht so unwahrscheinlich. Unkonventionell, ungewöhnlich, unethisch oder innovativ?

Die Suche nach neuen Lebensmitteln

Die Weltbevölkerung wächst stetig. Noch ist unklar, ob es bis 2050 knappe zehn Milliarden Menschen gibt. Sicher ist, dass die Weltbevölkerung wächst und ihr Hunger dazu. Weizen für Brot, Energie für den Backvorgang und Fleisch für die Wurst: Die erhöhte Nachfrage nach Lebensmitteln hat Auswirkungen auf unser Klima. Besonders das Treibhausgaspotential von Fleisch ist im Vergleich zu pflanzlichen Lebensmitteln enorm hoch.

Obwohl in Deutschland die Fleischproduktion im Jahr 2022 um 600.000 Tonnen geringer ausfiel als im Jahr davor, bleibt der weltweite Bedarf steigend. Fleisch ist ein wahrer Klimasünder. Auf ein Kilogramm verwertbares Rindfleisch kommen 59,5 m² nötige Nutzfläche, die für das Heranzüchten der Tiere notwendig ist. Dazu kommen noch 15.500 Liter Wasser für die Bewässerung sowie Düngemittel und Pestizide gegen Ungeziefer.

Grafik: Jährlicher Fleischkonsum pro Kopf deutscher Bürger*innen. Übersicht der am häufigsten geschlachteten Tiere: Rind, Schwein und Huhn
Grafik: Jährlicher Fleischkonsum pro Kopf deutscher Bürger*innen. Übersicht der am häufigsten geschlachteten Tiere: Rind, Schwein und Huhn

Die Fleischproduktion verursacht enorme Treibhausgase, welche insgesamt mehr Schäden verursachen als Luft- und Schifffahrt gemeinsam. Es wird also Zeit eine Lösung zu finden. Den die aktuelle Landwirtschaft global zu intensivieren, um uns alle durchzufüttern ist keine Option. Komplett auf pflanzliche Alternativen umzusteigen, wäre umsetzbar. Wenn wir weiterhin fleischliches Protein essen wollen, müssen wir nur lernen, damit umzugehen und Neues zu probieren.

Ein denkbarer Weg wäre der Konsum alternativer Lebensmittel. Seit etwa zwei Jahrzehnten wird genau das aktiv unterstützt. Fremde Kulturen werden nach Ideen für neue Lebensmitteln durchforstet. Auch in den Forschungslaboren gibt es Entwicklungen. Dazu gehört das gezüchtete Rind aus Muskelzellen in der Petrischale oder auch die Verarbeitung von Algen in Pulver. Ständig wird nach klimaschonenden Wegen gesucht, um die Proteinhaushalte und Mineralstoffbedürfnisse der Menschen zu befriedigen.

Novel Foods auf dem Supermarktregal

Eine Lösung? Novel Foods! Sie sind unkonventionell, ungewöhnlich, aber innovativ! Auch kulturell. Ein sogenanntes “Novel Food” ist, nach Bestimmungen der EU und EFSA (The European Food Safety Authority), ein Lebensmittel, welches vor dem 15. Mai 1997 nicht im nennenswerten Umfang in der EU verkauft oder verzehrt wurde. Die Novel Foods liefern eine Alternative zu den alteingesessenen Produkten, die aktuell die Supermarktregale füllen. Oft kommen sie aus Drittländern, in denen sie kulturell schon seit Jahrzehnten, oder gar Jahrhunderten auf dem Speiseplan stehen.

Die EFSA stellt schon seit 2004 in Kooperation mit privaten Antragstellern Verfahren für Innovation und Zulassung für Lebensmittel in der EU aus. Die Bürokratie unterstützt den Verbraucherschutz. Das bedeutet, dass ein Novel Food auf den Markt kommt, wenn mehrere Verfahren zum Schutz der Gesundheit geführt wurden. Zum Schutz des Verbrauchers innerhalb der EU müssen Zulassungen gegeben und Anträge gestellt werden. Obwohl das Verfahren durchschnittlich 18 Monate beansprucht, gibt es auch gute Neuigkeiten. Jedes Lebensmittel und jede Zusammensetzung an Stoffen kann nämlich nach Zulassung von jeder Person vermarktet werden, also besitzt der Antragsteller kein Patent auf das Lebensmittel.

Roadmap größte Entwicklungen innerhalb der EFSA
Aufschrift übersetzt und umgestaltet  nach https://www.efsa.europa.eu/en/topics/topic/novel-food

Grafik: Roadmap größte Entwicklungen innerhalb der EFSA                 Quelle: Franz Gläser

Novel Food: Insekten im deutschen Lebensmittelhandel

Warum behaupten wir in diesem Artikel Eingang das Mehlwürmer künftig die Gelbwurst auf unserem Pausenbrot ersetzen? Ein Angriffspunkt, an dem jede*r einzelne ansetzen kann, um Tierleid, Artensterben, Umweltverschmutzung und die Förderung der Klimakrise zu reduzieren ist unsere Diät. Proteine aus Rind, Schwein, Geflügel und Fisch sind heute leichter zu ersetzen als noch vor zehn Jahren. Neben den pflanzlichen Proteinen aus Reis, Dinkel und Hirse, kommt mit dem Novel Food “Insekten” eine proteinreiche Option dazu.

Welche Novel Foods dürfen in den Verkauf?

Zugelassene Insekten sind nach der Novel-Food-Verordnung der EU unter anderem bislang der gelbe Mehlwurm, die Wanderheuschrecke, die Hausgrille und seit neuestem der Getreideschimmelkäfer. Verzehren kann man diese Insekten beispielsweise in Form von Pulver oder Paste, diese werden nämlich anderen Lebensmitteln zugemischt.

In folgenden Produkten können Insekten als Pulver oder Paste verarbeitet sein:

  • Brot
  • Backmischungen
  • Chips und Knabberzeug
  • Fleischalternativen
  • Schokolade
  • Müsli-Riegel
  • Nudeln

Was steckt in welchem Novel Food drin?

Viele scheuen sich noch vor der Vorstellung, Insekten – in jeglicher Form – zu konsumieren. Woher wissen Endverbraucher*innen also, worauf sie achten müssen, um die Produkte gezielt zu finden oder ihnen aus dem Weg zu gehen?

Die EFSA entscheidet zwar, wie die Insekten zu verarbeiten sind, die Kennzeichnung kann sich jedoch von Land zu Land unterscheiden. Wie vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit festgelegt, ist nur durch die lateinischen Namen der Insekten in der Lebensmittel-Kennzeichnung ein Hinweis auf deren Beimischung gegeben. Auf der Packung steht hinten unter dutzenden Zutaten zum Beispiel Tenebrio molitor für den gelben Mehlwurm.

Hier gibt es Kritik. Viele verlangen ein nach einer deutlicheren Kennzeichnung, beispielsweise in Form eines Symbols auf der Frontseite der Packung. Ob das Ganze dann wie der bekannte Nutri-Score umgesetzt wird, steht noch zur Diskussion. Sich jedoch bei jedem Produkt im Einkaufswagen die Lebensmittel-Kennzeichnung vollständig durchzulesen – dafür fehlt vielen einfach die Zeit.

Mutiert die EU durch Novel Foods jetzt zum Jungelcamp?

Inwieweit die Produkte in Deutschland Erfolg haben werden, ist noch nicht absehbar. Die individuellen Essgewohnheiten jeder Person diktieren, ob diese bereit ist Novel Foods eine Chance zu geben oder nicht. Die Verantwortung liegt also bei den Verbrauchern/Verbraucherinnen: Probiert sie aus, die Novel Foods! Und bestenfalls landen sie dann auf dem ganz persönlichen Speiseplan der Einen oder des Anderen.

Über den Autor

Franz Gläser

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