Toggle Navigation

Formel 1 2017: Technikhighlights und Saisonausblick

Die Formel 1 Saison 2017 wartet dank neuem Reglement mit spektakuläreren und schnelleren Autos auf. Doch Geschwindigkeit führt nicht automatisch zu besseren Rennen.

2017 beginnt für die Formel 1 eine neue Ära. Für die neue Saison ist das technische Reglement der höchsten Motorsportklasse umfassend geändert worden. Die neuen Autos sind deutlich breiter, aggressiver und dadurch schneller, sowie anspruchsvoller zu fahren. Die letzte große Reglementänderung hat im Winter vor der Saison 2014 stattgefunden. Die kreischenden V8-Saugmotoren sind damals durch die sogenannten Power-Units ersetzt worden um die Entwicklung von Hybridantriebssträngen zu fokussieren und Benzin zu sparen. Die Power Unit ist eine Hybridantriebseinheit. Sie besteht aus einem 1,6 Liter großem V6-Turbomotor, einem Elektromotor mit zugehörigem Akku sowie zwei Generatoren zur Energierückgewinnung aus Bremsvorgängen und dem Abgasstrom.

Außerdem sind die Richtlinien für die Gestaltung der aerodynamischen Komponenten, wie zum Beispiel dem Frontflügel, verändert worden. Insgesamt haben die Veränderungen zur Saison 2014 dafür gesorgt, dass die Autos komplizierter, langsamer und in den Augen vieler Fans auch unansehnlicher geworden sind. Auch die Fahrer sind bis heute wenig begeistert von der damals eingeführten Fahrzeuggeneration.

Neues Reglement für mehr Spektakel

Das neue Reglement soll die Formel 1 wieder aufregender und anspruchsvoller machen. Die Regeln bleiben antriebsseitig größtenteils gleich. Die Power-Units werden auch 2017 wieder zum Einsatz kommen, die Teams dürfen aber unter der Saison mehr Weiterentwicklungen integrieren. Bei aller Komplexität, war Leistung nie das Problem der kritisch beäugten Aggregate. Andy Cowell, Chef der Motorenentwicklung bei Mercedes GP sprach 2016 von „über 900 PS“ Systemleistung.

Zum Vergleich: Die alten V8-Motoren haben mit etwa 750 PS deutlich das Nachsehen. Die entscheidenden Regeländerungen beginnen bei den Reifen. Die profillosen Reifen – genannt „Slicks“ – wachsen an der Vorderachse um 60 auf 305 Millimeter Breite und hinten um 80 auf 405 Millimeter. Breitere Reifen bedeuten eine größere Aufstandsfläche, also mehr Kontaktfläche zwischen Reifen und Fahrbahn. Das führt wiederum zu deutlich mehr Haftung in Kurven, beim Beschleunigen und beim Bremsen. Die neue aggressive Optik kommt vor allem durch die Verbreiterung der Autos zustande. Die Spurweite beträgt ab 2017 glatte zwei Meter statt wie vorher 1,8 Meter. Der Frontflügel wächst um 15 auf 180 cm. Der Heckflügel wird breiter und tiefer platziert und der Diffusorauslass am Heck des Fahrzeugs wächst ebenfalls deutlich. Sämtliche Änderungen an den aerodynamischen Komponenten wie Frontflügel, Heckflügel und Diffusor tragen zu einem signifikant höheren Abtriebswert bei.

F1 Ferrari, Quelle: fia.com/multimedia.
Links: Ferrari SF70H für die Saison 2017. Rechts: Ferrari SF16-H der Saison 2016.              Quelle: fia.com/multimedia

Abtrieb ist der Schlüssel zu den enormen Kurvengeschwindigkeiten, die ein Formel 1-Rennwagen im Vergleich zu einem normalen Wagen erzielen kann. Abtrieb lässt durch geschickte Steuerung des Luftflusses eine vertikale Kraft auf das Fahrzeug wirken, die es in den Boden presst. Durch diese Kraft wird die Reibung zwischen Reifen und Asphalt deutlich erhöht. Mehr Abtrieb sorgt für höhere Kurvengeschwindigkeiten und dadurch meist auch schnellere Rundenzeiten. Erzeugt wird der Abtrieb unter anderem mithilfe eines speziell geformten Unterbodens, der einen Unterdruck an der Fahrzeugunterseite erzeugen. Für zusätzlichen Abtrieb sorgen die Flügel, die im Grunde wie ein umgedrehter Flugzeugflügel funktionieren. Größere Flügel am Fahrzeug bedeuten aber auch einen höheren Luftwiderstand. Deswegen wurde die erlaubte Benzinmenge um 5 auf 105 kg erhöht. Gleichzeitig verringert sich auch die Höchstgeschwindigkeit auf langen Geraden. Zusätzlich zu den bereits genannten, gibt es noch eine ganze Reihe kleinerer Veränderungen.

Die entscheidenden Details

Auffällig sind bei den neuen Boliden T-förmige Flügel, die einige Teams vor dem Heckflügel installieren. Diese sorgen für eine bessere Anströmung des Heckflügels und dadurch für eine höhere aerodynamische Effizienz. Die in den späten 2000er Jahren stark verbreiteten „Shark-Fins“ feiern 2017 ihr Comeback. Dieses Luftleitblech über der Motorhaube stabilisiert das Auto in schnellen Kurven und verbessert ebenfalls die Anströmung des Heckflügels.

Eine weitere Schlüsselkomponente sind die sogenannten „Barge boards“. Die Luftleitbleche vor den Seitenkästen sind im Zuge des neuen Reglements deutlich gewachsen und die Entwickler genießen deutlich größere Freiheiten bei deren Gestaltung.

Mercedes Red Bull, Quelle: fia.com/multimedia.
Links: “Shark Fin” und T-Flügel am Mercedes W08 EQ Power+. Rechts: Barge Board am Red Bull RB13. Quelle: fia.com/multimedia

Sie leiten die verwirbelte Luft hinter dem Frontflügel und den Vorderrädern in die Seitenkästen zu den Kühlern und in Richtung Unterboden und Diffusor. Sie sorgen für eine effizientere Kühlung und verbessern die Wirkung des Unterbodens. In Anbetracht der Tatsache, dass mehr als ein Drittel des Gesamtabtriebs durch den Unterboden und den Diffusor erzeugt werden, fällt den Barge boards eine wichtige Rolle zu. Dementsprechend sind die bisher von den Teams gezeigten Designs extrem detailliert. Details die sich aus zahlreichen CFD-Simulationen und vielen Stunden im Windkanal ergeben.

Große Herausforderung für Fahrer und Team in der Formel 1

Die Herausforderung für die Teams liegt darin das neue Reglement von Anfang an perfekt auszunutzen und ein konkurrenzfähiges Auto zu bauen. Für viele Teams werden die Karten neu gemischt, da ein neues Reglement ermöglicht, Entwicklungsvorsprünge beziehungsweise Rückstände der letzten Saisons zu egalisieren.

Entscheidend wird zudem der Entwicklungsfortschritt im Laufe der Saison sein. Man kann vermutlich bei jedem Zweiten oder Dritten Rennen mit umfassenden Modifikationen der Teams rechnen. Die Kräfteverhältnisse können sich während der Saison noch deutlich verschieben. Auch für die Fahrer stellen die neuen Autos eine große Herausforderung dar. Durch die hohen Kurvengeschwindigkeiten und verkürzten Bremsphasen sind die Belastungen auf die Fahrer so hoch wie nie zuvor. Ein Vertreter des F1-Bremsenzuliferers Brembo rechnete im Gespräch mit motorsport.com mit bis zu 6 G, die kurzzeitig beim Bremsen auf den Fahrer wirken.

Red Bull Rain
Die 2017er Fahrzeuggeneration ist vier Sekunden (!) schneller als die letztjährigen Wagen bei den Tests. Quelle: fia.com/multimedia

Gleichzeitig können in Kurven Kräfte bis zu 5,5 G entstehen. Zum Vergleich: die Generation 2014-2016 erreichte selten über 3 G in Kurven. Um den Belastungen in einem Rennen standzuhalten, mussten alle Piloten ihr Trainingsprogramm intensivieren. Vor allem der Nacken leidet unter den enormen Belastungen. Toro Rosso-Pilot Carlos Sainz jr. spricht bei motorsport-total vom härtesten Winter seines Lebens. Dennoch ist die Gefühlslage der Fahrer bei den ersten Tests  auf dem Circuit de Catalunya nahe Barcelona, durchwegs positiv. Lewis Hamilton zeigte sich durchweg begeistert und schwärmte vom unglaublichen Speed. „Ich fühle mich wie ein kleiner Junge in der Achterbahn“.

Die Testfahrten auf dem Circuit de Catalunya

Die Testfahrten zum Jahresbeginn zeigten schnell, dass Mercedes GP erneut das Team ist, das es zu schlagen gilt. Mercedes hat sein Testprogramm nahezu problemlos abgespult und mit schnellen Rundenzeiten überzeugt. Ferrari hatte nur mit kleinen Problemen und einem leichten Abflug von Kimi Raikkönen zu kämpfen. Der Finne konnte jedoch die schnellste Rundenzeit der Testfahrten herausfahren. Red Bull hingegen wurde von einigen Zuverlässigkeitsproblemen geplagt. Sie kamen insgesamt auf deutlich weniger Runden als Ferrari oder Mercedes. Max Verstappen und Daniel Ricciardo konnten erst gegen Ende der Tests mit schnellen Zeiten glänzen und mussten sich Ferrari dennoch mit 0,8 Sekunden geschlagen geben. Das frühere Weltmeisterteam Mclaren erwischte nach den Seuchenjahren 2015 und 2016 wieder einen katastrophalen Start in die Saison. Mit den wenigsten Testkilometern aller Teams aufgrund zahlreicher Defekte sowie der Gewissheit performanceseitig die Top-Teams nicht ansatzweise in Bedrängnis bringen zu können, bleibt dem Team aus Woking nur die Hoffnung auf fruchtbare Weiterentwicklungen im weiteren Jahresverlauf.

Formel 1: Mclaren MCL32
Mclaren-Honda erwischte mit dem neuen MCL32 wieder einen schlechten Start in die Saison. Quelle: fia.com/multimedia

Auch das Renault-Werksteam kämpfte ein Jahr nach dem Wiedereinstieg mit zahlreichen Problemen bei den Tests. Der neu verpflichtete Nico Hülkenberg kam zusammen mit seinem britischen Teamkollegen Jolyon Palmer auf die zweitwenigsten Runden aller Teams. Die Ergebnisse der Testfahrten geben jedoch meist nur ein schwammiges Bild über die wahren Kräfteverhältnisse ab. Zur Beurteilung der Zuverlässigkeit eignen sie sich noch relativ gut.

Die Performance hingegen ist nur schwer einzuschätzen, da die Teams ihre Tagesbestzeiten unter unterschiedlichen Bedingungen erzielen. Eine Rolle spielen hierbei unterschiedlichen Reifenmischungen, mit unterschiedlichen Set-Ups und den jeweiligen Mengen Benzin im Tank, die das Gewicht und damit maßgeblich die Rundenzeit beeinflussen. Viele Teams zeigen oft noch gar nicht ihre wahre Stärke vor dem ersten Rennen. Ferrari überzeugte bei den letztjährigen Tests auch mit der schnellsten Rundenzeit. Während der regulären Saison sah die Scuderia allerdings kein Land gegen Mercedes und konnte nicht einen Saisonsieg einfahren.

Mercedes spulte zwar die meisten Runden aller Teams ab, aber hielt bei den Rundenzeiten auch 2017 Respektabstand zu Ferrari und Red Bull. Das wirkliche Potential des neuen Boliden wollte das Team offensichtlich noch nicht zeigen. Als Vorjahresweltmeister und Dominator der letzten Jahre gehen sie trotzdem als Favoriten in die Saison. Dennoch: Die Kräfteverhältnisse sind für 2017 nicht in Stein gemeißelt.

Breiter, schneller, spektakulärer

Sowohl Fans als auch Fahrer zeigen sich von den neuen Formel 1-Boliden begeistert. Spannendere Rennen werden sie jedoch kaum bieten. Der Mangel an echten Positionskämpfen war Fans und Kritikern seit langem ein Dorn im Auge. Mit künstlichen Überholhilfen konnte das Problem nicht gelöst, aber zumindest im Ansatz verbessert werden. Die neuen Autos werden die Überholprobleme während des Rennens wieder deutlich intensivieren. Formel 1-Autos verwirbeln aufgrund ihrer zahlreichen abtriebsfördernden Anbauteile die Luft sehr stark. Die Autos sind aber auf halbwegs unverwirbelte Luft angewiesen um die Flügel und den Unterboden effizient zu nutzen und damit Kurvengrip zu generieren. Das bedeutet im Klartext, dass es für einen Fahrer, der hinter einem anderen Auto fährt, schwieriger ist die gleiche Rundenzeit zu fahren. Dementsprechend ist es nur schwer möglich aus dieser Situation heraus ein Überholmanöver zu starten.

Ferrari Williams
Die neuen Autos sind zwar spektakulärer, die Rennaction durch Positionskämpfe fördern sie jedoch nicht. Quelle: fia.com/multimedia

Die neuen Autos verwirbeln die Luft stärker als ihre Vorgänger. Das Überholen wird erschwert. Gleichzeitig verkürzen sich die Bremsphasen aufgrund des hohen Abtriebslevels und ein Ausbremsmanöver wird aufgrund der kurzen Bremszeit ebenfalls riskanter. Zwar hoffen die Organisatoren mit den neuen Autos viele alte Fans zurück zu gewinnen, aber die Probleme auf der Strecke lösen sich dadurch nicht. Ein interessanter Faktor könnte die Fehlerquote der Fahrer mit den neuen Autos sein. Die deutlich schnelleren Autos verhalten sich zickiger am Limit und Fehler lassen sich nur schwer korrigieren. Eine hohe Fehlerquote der Fahrer könnte bei vielen Rennen das Ergebnis auf den Kopf stellen. Es bleibt spannend bist zum ersten Rennen im australischen Melbourne.

Kommentiere