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Kampf gegen Kunststoffmüll: Was kommt nach der Recyclingquote?

2019 wurde das Verpackungsgesetz eingeführt, unter anderem, um die Kunststoffkreislaufwirtschaft zu fördern. Doch die Menge der Kunststoffabfälle in Deutschland steigt und eine geschlossene Kreislaufwirtschaft scheint es bisher nur bei PET-Pfand-Flaschen zu geben.

„Der Fehler im System beim Verpackungsgesetz ist das Thema Abfallaufkommen und Verpackungsvermeidung, denn dieser Aspekt taucht im Gesetz kaum auf“, meint Michael Jedelhauser, Referent für Kreislaufwirtschaft beim Naturschutzbund Deutschland e.V (NABU) über die Veränderungen in unserer Abfallwirtschaft. Seit seiner Einführung wird das Verpackungsgesetz immer wieder von Umweltverbänden kritisiert.

Vor allem das wachsende Müllproblem von Kunststoffverpackungen bewegte erst kürzlich Bundesumweltministerin Svenja Schulte (SPD) zur Vorlage einer Novelle des Verpackungsgesetzes im Bundeskabinett. Diesem Gesetzesentwurf wurde am 20.01.2020 zugestimmt. „Ein wesentliches Manko der Kunststoffkreislaufwirtschaft ist, dass wir viel zu viel Abfall produzieren. Der zweite Punkt ist, dass sich das Kunststoffrecycling in den letzten fünf bis zehn Jahren kaum oder nur sehr langsam entwickelt hat“, beschreibt Michael Jedelhauser im Dezember 2020 die Situation. Die Änderungen im Verpackungsgesetz betreffen auch die Kunststoffkreislaufwirtschaft. In Zukunft sollen gastronomische Betriebe, Catering und Lieferdienste neben Einweg- auch Mehrwegverpackungen anbieten. Außerdem soll etappenweise eine Pfandpflicht auf Getränkeflaschen aus Einwegkunststoff und Dosen eingeführt werden. Als weitere relevante Änderung wird ein 25 prozentiger Mindest-Rezyklat-Anteil bei PET-Getränkeflaschen ab 2025 eingeführt.

Recyclingfähigkeit der Post-Consumer-Abfälle

Durch die Corona-Pandemie steigt die Menge an Kunststoffabfällen sichtbar an. Der Grüne Punkt berichtet von durchschnittlich zehn Prozent mehr Verpackungsabfällen in den gelben Tonnen. Laut Umweltbundesamt (UBA) fielen bereits im Jahr 2019 6,28 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an. Der Großteil, etwa 85,2 Prozent, stammt aus sogenannten Post-Consumer-Abfällen. Diese entstehen nach dem Gebrauch der Kunststoffe. Wie der 2020 veröffentlichten Conversio-Studie „Stoffstrombild Kunststoffe 2019 – Kurzfassung“ entnommen werden kann, wurden mehr als 99 Prozent dieser Kunststoffabfälle verwertet. Auch die vorgeschriebene Recyclingquote wird erreicht. Doch noch nicht alle Kunststoffabfälle können werkstofflich oder rohstofflich weiterverarbeitet werden. Es landeten 53 Prozent in der energetischen Verwertung.

Gegenüberstellung Verbrauchs- und Abfallmengen an wesentlichen Beispielen. Grafik: Vivien Hermanns (Vgl. Conversio Stoffstrombild-Studie Kunststoffe 2020)

Vor allem bei Verpackungsabfällen ist meist die Recycelfähigkeit ein Problem. Um diese anzugehen, spricht unter anderem der Grüne Punkt mit den Verpackungsherstellern und hat einen RecyclingCOMPASS entwickelt. „Der RecyclingCOMPASS hilft, die Verpackungen auf ihre Recyclingfähigkeit einzuschätzen“, beschreibt Norbert Völl, Pressesprecher bei Der Grüne Punkt, das Tool. „Das ist auch wichtig für die Förderung der Verpackungen. Denn nach dem Verpackungsgesetz sind wir als Duale Systeme seit letztem Jahr verpflichtet, recyclingfähige Verpackungen zu fördern.“ Dabei würde am Design der Verpackungen angesetzt, um diese, wenn möglich sortenrein herzustellen.

Auch die Unternehmen in der Kunststoffverarbeitung beschäftigen sich bereits mit dem Thema Design for Recycling. Ioannis Sakkas, Geschäftsführer des Industrievertretungsunternehmens KT-Sakkas GmbH & Co. KG kennt die Kunststoffindustrie bereits seit 1997. Als Beispiel für 100 Prozent recycelfähige Verpackungen in der Lebensmittelindustrie nennt er die Firma Spies Kunststoffe GmbH. Die Verpackungen werden vom Institut cyclos-HTP überprüft. Seit der Einführung des Verpackungsgesetzes verzeichne Ioannis Sakkas außerdem ein verstärktes Interesse an Biokunststoffen bei Einweg- und Verpackungen. Allerdings sei die Verfügbarkeit sortenreiner Rezyklate noch nicht gewährleistet.

„In vielen Bereichen fehlen die ausreichenden Mengen an sortenreinem, recyceltem Kunststoff.“

Ioannis Sakkas, Geschäftsführer des Industrievertretungsunternehmens KT-Sakkas GmbH & Co. KG

„Das Problem ist die Gewinnung sortenreiner Rezyklate für hochwertige neue Verpackungen. Rezyklat aus Mischkunststoffen können nur für minderwertige neue Kunststoffteile, zum Beispiel Einwegpaletten verwendet werden.“ Um die Sortierung zu erleichtern gibt es bereits das Konzept eines digitalen Wasserzeichens im Rahmen des Projektes HolyGrail, dass sich nicht nur für Flaschen, sondern auch für Verfahren von Consumer-Verpackungen eignet. „Jede Technologie kostet Geld, wenn auch nur für eine Verpackung wenige Cent. Leider ist kein Hersteller bereit, diese Kosten für ein unsichtbares Wasserzeichen auf freiwilliger Basis zu finanzieren“, so Sakkas weiter.

Rezyklateinsatzquote und Closed-Loop-Recycling

Henriette Schneider, Projektmanagerin für Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH), weist auf ein weiteres Problem hin: „Wir müssen nicht erst am Ende bei der Recyclingfähigkeit ansetzen, sondern auch beim Rezyklateinsatz. Wie viel Rezyklat wird tatsächlich eingesetzt bei der Herstellung neuer Verpackung? Das ist in Deutschland momentan noch sehr wenig.“ Deswegen fordert die DUH eine verbindliche Rezyklateinsatzquote. Die eingereichten Änderungen des Verpackungsgesetzes enthält laut den Umweltverbänden DUH und NABU noch zu viele Ausnahmen. Aber NABU und der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser und Rohstoffwirtschaft (BDE) begrüßen die Einführung von verbindlichen Mindestanteilen von Rezyklat bei PET-Flaschen. Beide Verbände fordern ebenfalls bereits seit 2020 eine Rezyklateinsatzquote, um die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben.

Kunststoffabfälle und der Einsatz in der Verarbeitung. Grafik: Vivien Hermanns (Vgl. Conversio Stoffstrombild-Studie Kunststoffe 2020)

Beim Begriff Recycling werde oft zu kurz gedacht, erläutert Michael Jedelhauser, denn nach dem Recyceln der Kunststoffabfälle komme es häufig zum Downcycling und keiner geschlossenen Kreislaufwirtschaft. Beim Downcycling werde dann das Rezyklat für ein minderwertigeres Produkt verwendet und lande nach wenigen Lebenszyklen in verschiedenen Produktgruppen bereits in der energetischen Verbrennung. Für eine ressourcenschonende, nachhaltige Perspektive sollten Kunststoffe bestenfalls im selben Produktkreislauf bleiben. „Wir sprechen auch da vom sogenannten Closed-Loop-Recycling. Das heißt aus einer Flasche wird wieder eine Flasche und so weiter, oder auch aus einer Verpackung wird dann auch wieder eine Verpackung. Das ist eine riesige Herausforderung, aber das muss langfristig das Ziel sein,“ sagt der Referent für Kreislaufwirtschaft. Das Verpackungsgesetz wird beispielsweise bereits mit Blick auf die Recyclingquote umgesetzt. Auch die Recyclingfähigkeit der Produkte wird von den Dualen Systemen und den Herstellern angegangen. Doch weiterhin macht der Abfall von kurzlebigen Produkten aus dem Verpackungsbereich Probleme.

Erste Veränderungen seit der Einführung des Verpackungsgesetzes erkennt der Verbraucher aber bereits im Supermarkt. Die Kunststoffkreislaufwirtschaft ist in einem stetigen Wandel, doch die Finanzierung von neuen Technologien ist oftmals ein Problem. Die Gesetzeslage wird angegangen, wie der Entwurf zur Änderung des Verpackungsgesetzes zeigt. Nun wird im Bundestag und Bundesrat darüber entschieden. Verbände begrüßen vor allem den Mindesteinsatz bei PET-Flaschen, aber die Kritik bleibt. Denn PET ist nicht der einzige Kunststoff, der in unserem Gelben Sack oder im Pfandsystem landet.

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