Allein in Deutschland gibt es circa 1400 Brauereien. Jedoch können sich nur wenige, ausgewählte Braustätten als sogenannte "Slow Brewer" bezeichnen. (Bild: Elena Pruchniewski)
14. März 2019
Slow Brewing – Zeit für Geschmack
Gute Dinge brauchen Zeit. Ob es der gute Whiskey, der teure Rotwein oder Parmesankäse ist. Dass solchen Qualitätsprodukten die benötige Zeit gegeben wird, ist im Zuge der Massenproduktion und der massiver Konkurrenz schwer zu bewerkstelligen und damit selten geworden. – Zwischen irreführenden Labels und einem Verband aus der Bierbrauer Branche, der es mit seinem Gütesiegel „Slow Brewing“ anders machen will.
Gut 100 Liter Bier konsumiert jeder Deutsche im Durchschnitt pro Jahr. Damit reicht es zwar nur für den dritten Platz im europäischen Ranking, ändert aber nichts an der hohen Brauereidichte, Sortenvielfalt und der aktiv gelebten Bierkultur. Pils, Alt oder Hefeweizen – Das entscheidet eigentlich nur der eigne Sinn für Geschmack. Oder?
Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Splendid Research gewinnen Gütesiegel bei Lebensmitteln immer mehr an Bedeutung und beeinflussen damit das Konsumverhalten. Mehr als zwei Drittel der Befragten geben an, beim Kauf zusätzlich auf ein solches Siegel zu achten, das die Produktqualität bewertet. Auch der Gütesiegel Gesetzesentwurf, der Anfang 2019 in Kraft tritt, soll das Vertrauen in die Labels (dann: Gewährleistungsmarken) weiter stärken. So können die neuen Gewährleistungsmarken nach deutschem Patentrecht geschützt und ebenso kontrolliert werden. Um dann als geschützte Marke zu gelten, sind die Inhaber dazu verpflichtet, die Qualitätsstandards offen zu legen. Das kann den Verbrauchern zu mehr Durchblick im Label-Labyrinth verhelfen.
Die Labels der Bierbrauer
Gütesiegel, Labels und Verbände sind nicht nur bei herkömmlichen Bio- oder Fairtrade Lebensmitteln Thema, sondern in der Bierkultur ebenso. Und das nicht erst seit gestern. Bier ist eines der ältesten, durch eine Verordnung geschützten Lebensmittel überhaupt! Das deutsche Reinheitsgebot trat schon vor über 500 Jahren in Kraft und beschränkt die Zutatenliste des beliebten Getränks auf das Wesentliche: Wasser, Hopfen, Malz und Hefe. So weit, so gut.
Neben dem Reinheitsgebot ist das DLG Siegel (Deutsche-Landwirtschafts-Gesellschaft), eines der am Häufigsten vergebenen Siegeln bei Bier. Günther Thömmes, Autor des Blogs Hopfenhelden, bezeichnet die „inoffiziellen Qualitätsversprechen“ jedoch als „mittlerweile derart beliebig und belanglos“. Ähnlich kritisch äußert er sich im Blog Beitrag „LABELMANIA: Wieviele Gelabel-Gelaber verträgt unser Bier?“ gegenüber des Reinheitsgebots. „In Bayern und anderswo wurde die Nennung des Reinheitsgebots bei Weißbier zur peinlichen Lachnummer (denn eigentlich geht es in der Urform des Reinheitsgebotes genau darum, dass Weizen zum Brot backen und nur die Gerste zum Brauen verwendet werden sollte).“
Zwischen all dem Misstrauen gegenüber der vorhandenen Gütesiegel, trifft der Verband „Slow Brewing“ mit seinem Siegel nun auf einen Nerv in der Branche. Schließlich spielen auch hier die Labels eine Rolle für den Konsumenten.
Keinen Kater von Slow Brewing Bieren?
Seit dem Jahr 2011 hat sich Dr. August Gresser Brauereien verschrieben, denen eine faire Firmenphilosophie und Qualität genauso wichtig ist, wie dem ehemaligen Braumeister selbst. Daraus entstand die Idee des „Slow Brewing“ – einer Wertegemeinschaft, wie Gresser auf der BrauBeviale 2018 in Nürnberg selbst sagt. Die Idee des Verbands ist es einerseits, mit seinem Siegel den Verbrauchern einen Wegweiser zu beständig gutem Bier zu bieten. Auf der anderen Seite soll der Verband den Mitgliedsbrauereien durch die regelmäßigen Kontrollen helfen, ihre Qualität und damit ihre Produkte stets zu verbessern.
Dass gutes Bier seine Zeit braucht, wissen erfahrene Braumeister wie August Gresser. Die schonende und langsame Brauweise, nennt sich Slow Brewing. Hilfsmittel zur schnelleren Gärung wie Druck oder Wärme sind in den Slow Brewing Brauerei absolut tabu. „Erst mit der Zeit bekommt das Bier seinen Charakter!“ sagt er. Diese Brauweise wirkt sich aber nicht nur auf den Geschmack aus. Sie hat noch einen ganz anderen Vorteil: Es entstehen deutlich weniger der sogenannten Fuselalkohole, die unter anderem für den unbeliebten Kater am nächsten Morgen verantwortlich sein sollen. Diese entstehen bei der alkoholischen Gärung als Nebenprodukt. Vor allem bei wärmegeführten Gärungsprozessen, wie bei dem des Weizenbiers. Die unerwünschten Bestandteile der Fuselalkohole werden von der Leber in Giftstoffe umgewandelt und führen zum allseitsbekannten Unwohlsein – dem Kater. „Aber hier darf man natürlich auch die Menge nicht vergessen! Da lautet die Devise wie immer: “In Maßen, nicht in Massen!“
Zulassungskriterien sind kein Zuckerschlecken
Aufgrund der hohen Ansprüche ist der Kreis der auserwählten Brauereien verhältnismäßig klein. In Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien sind es insgesamt nur 27 Brauereien, die sich als Slow Brewer bezeichnen dürfen. Doch das Siegel tatsächlich zu bekommen und behalten zu dürfen, ist alles andere als ein Zuckerschlecken.
Prinzipiell kann sich jede Brauerei bei dem Verband bewerben. Dabei wird aber ein Großteil abgelehnt, da sie die Prüf-und Zulasssungskriterien sowohl für die Biere, als auch für die Brauerei nicht erfüllen können. Die Liste der Kriterien ist lang. Unter anderem fallen die Aus-und Weiterbildungsmöglichkeiten für Mitarbeiter, die Unterstützung von gemeinnützigen Projekten, Maßnahmen von Umwelt-& Naturschutz, Stärkung und Förderung der Region darunter. Und das sind lange nicht alle.
Während die monatliche Prüfung vom Forschungszentrum Weihenstephan für Brau-und Lebensmittelqualität der TU München durchgeführt wird und dabei die Bierqualität der Mitgliedsbrauereien prüft, findet einmal im Jahr die umfangreiche Prüfung statt. Diese wird von Brauexperten und Dr. Gresser höchstpersönlich durchgeführt. Mit der regelmäßigen Kontrolle schließt das Gütesiegel eine internationale Lücke der gesamten Branche. Der Blog about drinks bezeichnet Slow Brewing mit ihrem Konzept in einem Blogpost als „Avantgarde der internationalen Bierbranche.“ Es gibt bis dato also kein weiteres Siegel für Biere, bei denen sowohl das Produkt an sich, als auch die komplette Brauerei auf Herz und Nieren entlang der gesamten Wertschöpfungskette so regelmäßig geprüft werden.