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Das richtige Weinglas: die Philosophie des Weintrinkens

Viele kennen es: Eingeladen bei Freunden oder Familie wird man gebeten die Weißweingläser für den Tisch zu holen und aufzudecken. Man steht vor dem Schrank und weiß nicht, welche von den vielen Gläsern genau Weißweingläser sind und greift zu denen, die einem bekannt sind. Wie es das Schicksal wollte, waren die gewählten Gläser Rotweingläser.

Ob Riesling oder Burgunder: „Für jeden Wein gibt es ein spezielles Glas“, sagt Denise Mayer. Sie ist Fachverkäuferin bei Wieseler & Mahler in Nürnberg, einem Fachgeschäft für Porzellan, Glas und Haushaltswaren – Mayer ist zuständig für die Glasabteilung. Für einen Laien schauen die Formen der einzelnen Gläser zwar unterschiedlich aus, sagen aber ohne das nötige Hintergrundwissen nichts über den dazu passenden Wein aus. Experten sagen, dass ein einziger Wein, getrunken aus verschiedenen Gläsern, den Geschmack derart verändern kann, dass man sich im Nachhinein die Frage stellt, ob der Verbraucher jedes Mal den selben Wein trinkt oder nicht. Daher ist es wichtig sich mit der ‚Architektur‘ eines typischen Weinglases vertraut zu machen.

Der Aufbau des Weinglases


Ein klassisches Weinglas besteht aus Kelch, Stiel und Fuß. Diese drei Teile müssen so aufeinander abgestimmt sein, dass das Glas im Gleichgewicht gehalten wird. Stimmen die Proportionen und die richtige Menge an Wein, ist das Glas stabil und liegt fest in der Hand. „Das Glas muss am Stiel gehalten werden“, zeigt Mayer an einem Weinglas.

Richtiges Halten eines Weinglases.

„Angestoßen wird nicht oberhalb, sondern unterhalb vom Kelch“, führt sie fort. Speziell das Halten des Glases beeinflusst die Trinktemperatur enorm: Hält derjenige das Glas direkt am Kelch oder ist der Stiel falsch proportioniert, kann die Wärme der eigenen Hand, Aromen und Geschmack des Weines verändern. Für Weißwein ist die richtige Temperatur um die acht bis zehn Grad Celcius und bei Rotwein liegt sie zwischen 15 und 17 Grad Celcius – die Gläser sollten in etwa die selbe Temperatur haben.

Auch die Wandung, der Rand des Glases, spielt eine entscheidende Rolle beim Trinken: „Er darf nicht zu dick sein, sondern so hauchdünn wie es geht. Sonst hat man mehr Glas im Mund als Wein“, erklärt Mayer. Auch kann durch diesen ‚Fehler‘ die optische Beurteilungsmöglichkeit leiden, da das Glas entweder beschlägt oder zu warm wird. Bei Weinproben nehmen die Experten sogenannte „‘Tasting‘-Gläser und diese sind schwarz“, erzählt Mayer. So kann sich der Weinliebhaber bei der Verkostung nur auf den Geschmack konzentrieren und nicht auf das Äußere des Weines.

Angestoßen wird immer unterhalb des Kelchs.

Neben dem allgemeinen Aufbau macht der Kelch den größten Unterschied zwischen den Weinglastypen aus. Die Form kann bauchig oder schlank sein, oben eng zusammenlaufend oder weit geöffnet. Jede dieser Komponenten kann die Charaktereigenschaften des Weins hervorheben. Besonders bei mundgeblasenen Gläsern „ist der Geschmack unbeschreiblich“, schwärmt Mayer.

Rotweingläser


Unter den Rotweingläsern gibt es drei Typen: Bordeaux, Burgunder und Standard. Das Hauptmerkmal dieser Glasart ist der bauchige oder eckige Kelch und die größere Öffnung. „Das gibt dem Wein mehr Luft“, erklärt die Fachverkäuferin – dadurch können sich die Aromen besser entfalten.

Bordeaux- und Burgunderglas.

Die Weinart bestimmt daher die Auswahl des Glases. Beispielsweise für ein Bordeauxglas, dass allgemein einen sehr großen Bauch hat, sind charaktervolle Weine wie Sauvignon oder Merlot geeignet. Der Kelch ermöglicht das Glas zu schwenken, um die Luftzufuhr zu erhöhen. Dagegen sind Standardrotweingläser etwas kleiner: „Sie haben eine Zwischengröße. Diese liegt zwischen den großen Rotwein- und Weißweingläsern“, erzählt Mayer.

Weißweingläser


Da Weißweine selten belüftet werden müssen, ist die Kelchgröße klein. Der Kelch geht je nach Weißweinart oben zusammen. Durch den kleineren Bauch wird automatisch auch die Füllmenge reduziert. Da der Weißwein nicht abkühlen soll, schenkt man etwas weniger ein, dass der Wein nicht zu lange im Glas bleibt. Hier ist es umso wichtiger das Glas am Stiel zu halten.

Links das Rieslingglas und rechts das Standard.

Da es unterschiedliche Weine gibt, unterscheidet auch hier der Kenner zwischen einem Riesling- oder Standardweißweinglas. Wer gerne einen jungen Riesling oder ein Silvaner trinkt, sollte beim Standard bleiben. In dem kleinen Kelch verflüchtigen sich die Aromen nicht so schnell. Dagegen ist das Rieslingglas für gereifte Rieslinge gedacht und hat eine ausgestellte Wandung. Der Mundrand sorgt dafür, dass die Fruchtaromen besser wahrgenommen werden.

Auf die Qualität kommt es an


Selbstverständlich gibt es auch unter den einzelnen Weingläsern qualitative Unterschiede. Handgefertigte Gläser haben bestimmte Merkmale: „Kelch, Stiel und Fuß haben einen fließenden Übergang“, zeigt Mayer anhand des mundgeblasenen Glases in ihrer Hand. Auch sind sie im Vergleich zu den maschinell hergestellten Gläsern sehr leicht. Ein einzelnes handgefertigtes, sprich mundgeblasenes Glas kann um die 80 Euro kosten.

Maschinell hergestellte Weingläser sind dagegen deutlich schwerer und es ist spürbar, dass die einzelnen Elemente ‚zusammengeklebt‘ worden sind – das heißt wieder erhitzt und anschließend verbunden. Legt der Käufer viel Wert auf Qualität so betont Mayer, dass „mundgeblasene Gläser immer das Beste sind. Der Wein kommt durch das leichte Glas besser zur Geltung.“ Wer weniger ausgeben, dennoch hochwertige Gläser kaufen möchte, dem empfiehlt Mayer maschinell gefertigte Gläser mit einer sehr guten Qualität zu kaufen.

Wer nicht so viel Wert auf Glas oder Wein legt, hat am Schluss immer noch die Möglichkeit die Discounter-Alternative zu wählen.

Autor: Valeria Ilina

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