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Klangkünstler im Hintergrund

Am 21. Juni ist Sommerbeginn und mit ihm steht auch der Festivalsaison nichts mehr im Weg. Auf der Bühne wird gespielt und gesungen, doch auch im Hintergrund geht es ganz schön zur Sache. Tobias Künneth, Tontechniker der Band Audiocrime, liefert einen Blick hinter die Kulissen eines Konzerts.


Ich: Ich habe am Freitag euren Auftritt gesehen und muss sagen, die Stimmung war super. Was ich sehr interessant fand war, dass man 50 Meter vor dem Zelt immer noch jedes Wort verstanden hat. Das liegt natürlich zum einen daran, dass die Musiker auf der Bühne gut gespielt und gesungen haben, zum anderen aber auch an deiner Arbeit, als Mann hinter dem Mischpult. Was würdest du sagen ist dein Job auf einem Konzert?

Tobias: Meine Verantwortlichkeit ist, alles was von der Bühne kommt so aufzubereiten, dass es bestmöglich beim Publikum eintrifft. Dabei hat man mit gewissen Widrigkeiten zu tun. Bestimmender Faktor bei Tontechnik in Livesituationen ist die Raumakustik. Jedes Zelt, jeder Raum in dem du bist hat eine eigene Akustik. Selbst eine Open-Air-Situation, weil zumindest ein Boden als reflektierende Oberfläche da ist. Auf die muss man sich jedes Mal einstellen. Das ist, denke ich, was den ausgeprägtesten Teil eines Tontechnikers ausmacht: Den Raum einschätzen, abwägen was passiert wenn der Raum voll wird, da sich die Akustik dadurch verändert und auf Grund dieser Faktoren die bestmögliche Klangleistung abzugeben.

Ich: Du nimmst also die Instrumente und Stimmen wie sie aus den Mikrofonen kommen auf und verbindest sie über das Mischpult so, dass es sich überall ein einer Location gut anhört.

Tobias: Aufnehmen ist das falsche Wort, weil es ein bisschen nach Studioarbeit klingt. Es ist ja tatsächlich eine Echtzeitübertragung, ohne zweite Chance. Ist einmal etwas verpatzt ist es verpatzt – auch wenn es das Publikum vielleicht nicht immer wahrnimmt. Tatsächlich ist es eher ein rauer Job. Soll heißen, im Vergleich zu Studioarbeit eher einfach, dafür aber schnell. Signal kommt, wird verarbeitet und muss passen.Vor dem Konzert gibt es einen kurzen Soundcheck. Danach fängt man langsam an, am besten wenn schon Publikum da ist. Und danach heißt es permanent anpassen an die Bedingungen: Was macht die Band? Es ist ja nicht jeder Song gleich aufgebaut. Was passiert akustisch mit der Umgebung? Das ist mein Job.

Ich: Eigentlich könnte eine Band ja auch sagen, wir mischen unseren Ton selbst. Wieso denkst du ist es sinnvoll, dafür einen Fachmann zu haben?

Tobias: Ich denke, die fachmännische Seite hat mehrere Aufgaben. Das Stehen am Mischpult ist ja nur ein Teil. Ein anderer ist, Wissen in die komplette Produktion einzubringen. Das heißt zum Beispiel, mit den Leuten die die Technik aufbauen Absprachen zu treffen: Was sind unsere Bedürfnisse, was ist unser Profil? Es muss ja alles zusammen passen. Hier ist der eigentliche Musiker erst einmal raus, weil er das gar nicht mehr einschätzen kann. Das nächste ist, sich während einer Produktion darum zu kümmern, das alles am laufen bleibt. Es geht mal ein Kabel kaputt, es verschwindet mal etwas, es gibt eine Stresssituation, die bedient werden muss. Und sofern es den Ton betrifft, ist das dann meine Aufgabe. Ich bin dafür verantwortlich, dass die Technik zuverlässig und sauber läuft.

Ich: Hast du auch schon mal in einem Tonstudio gearbeitet?

Tobias: Ich komme eigentlich aus der Livetechnik, war aber auch schon ein paar Jahre selbstständiger Studio Tontechniker. Das war die Zeit in der ich festgestellt habe, dass man dabei schnell einen leeren Kühlschrank bekommt, das war nicht so der Hit. Die andere Variante die es für mich gegeben hätte, wäre gewesen wirklich auf Tournee zu gehen. Ich habe das mal mit einer Band drei Wochen lang gemacht. In der Gegend herumfahren, nur Hotel rein, raus. Das waren die schlimmsten drei Wochen meines Lebens. Am ersten Abend noch Spaß, am zweiten nervt es schon
ein bisschen und danach bist du eigentlich nur noch angepisst. Es gibt Leute die das können und glücklich damit sind, aber meins ist es nicht.

Ich: Wie bist du eigentlich auf Tontechnik gekommen?

Tobias: Ich habe als Kind im Posaunenchor Trompete gespielt. Nach ein paar Jahren bin ich dann in die Schulband eingetreten. Daraus hat sich irgendwann sogar eine eigene Band entwickelt, nach der Schulzeit. Nun ist es aber so, dass du als Trompeter weder sexy beiden Mädels, noch wahnsinnig wichtig für die Band bist. Man spielt ja nur hier und da mal einen Einwurf und hat nie wirklich was zu tun. Außerdem war ich eher übefaul. Irgendwann kam ich dann auf die Idee, setz dich einfach ans Mischpult, da bist du wichtig, musst immer dabei sein, aber nichts üben. Ohne dich geht nichts, du musst dich aber nicht vorbereiten. Mittlerweile sehe ich das anders. Die Qualität der Tontechnik ist aus meiner heutigen Sicht ganz klar abhängig von der Qualität der Vorbereitung. So gut wie du dich vorbereitet hast, so gut wird das Konzert. Du kannst nicht einfach irgendwo hin gehen und sagen, machen wir mal, denn genau so klingt es dann. Aber damals fand ich das cool. Das ist jetzt grob 30 Jahre her.

Ich: Was würdest du sagen war bisher der größte Auftritt, oder der größte Künstler, mit dem du schon gearbeitet hast?

Tobias: Das ist ja immer eine subjektive Sache. Für den einen ist Michael Jackson der Größte, weil er die größten Stadien gefüllt hat. Für einen anderen vielleicht jemand völlig unbekanntes, weil der unglaublich gut mit seinem Instrument umgehen kann. Was die reine Konzertgröße angeht, bin ich denke ich selten über zwei- bis dreitausend Personen raus gekommen. Was mir aber auf jeden Fall in Erinnerung geblieben ist, ist die Band Soulkitchen, auf dem Thomann Sommerfest vor zehn, fünfzehn Jahren. Die waren einfach unglaublich gut. Alles hat gepasst und man
konnte sich als Tontechniker austoben. Eine zweite Geschichte an die ich mich sehr gerne erinnere ist Chester Thompson, den Drummer von Phil Collins und Genesis. Mit dem hatte ich jetzt schon zwei Mal zu tun. Wenn der spielt bleibt mir immer die Luft weg.

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