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Biologisch abbaubare Kunststoffe – die Zukunft der Verpackungsindustrie?

Von nachwachsenden Rohstoffen, über Mehrwegsysteme bis hin zu Algen – es wird immer mehr an Alternativen zum Einweg-Plastik geforscht. Eine weitere Alternative sind Verpackungen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen. Diese Stoffe sind bioabbaubar, das heißt sie können kompostiert werden. In der Theorie. Doch es gibt noch einige Probleme, vor allem mit der gesetzlich geregelten Entsorgung. Sind biologisch abbaubare Kunststoffe trotzdem die Zukunft der Verpackungsindustrie?

Dr. Stephan Kabasci ist Projektentwickler im Bereich Produkte und Experte für biobasierte Kunststoffe beim Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT.

Im Interview erklärt er, worum es sich bei biologisch abbaubare Kunststoffen handelt und wofür sie geeignet sind. Außerdem geht er auf die Nachteile und Probleme der Stoffe ein.

Bildquelle: Fraunhofer UMSICHT

Das sind Biologisch Abbaubare Kunststoffe

Was genau sind biologisch abbaubare Kunststoffe?

Kabasci: Unter biologisch abbaubaren Kunststoffen werden in der Regel die Materialien verstanden, die sich unter bestimmten Umweltbedingungen abbauen. Diese Umweltbedingungen sind in internationalen Standards festgelegt. Die ältesten und vielleicht auch bekanntesten sind die Vorgaben für die Bedingungen der industriellen Kompostierung. Es gibt auch Standards für die Heimkompostierung oder für Mulchfolien, die sich auf und im Boden abbauen sollen. Außerdem gibt es Vorschriften für den Abbau in wässriger Umgebung. Diese Standards beschreiben festgelegte Prüfvorschriften. Kunststoffe, die die Prüfungen bestehen können, können als bioabbaubar bezeichnet werden. Hierbei sollten die Testbedingungen mit angegeben werden.

Bioabbaubarkeit kann auch ein Nachteil sein

Was sind die Vorteile gegenüber herkömmlichen Kunststoffen?

Kabasci: Ich würde erstmal neutral sagen, dass die geprüfte Bioabbaubarkeit eine zusätzliche Materialeigenschaft dieser Kunststoffe darstellt. Das kann in manchen Anwendungen positiv sein. Beispielsweise als dünne Mulchfolien, die nach ein paar Monaten Funktion auf einem Acker runtergepflügt werden können. Wenn diese bioabbaubar sind, entstehen keine kleinen nicht-abbaubaren Folienreste, wodurch auch keine Umweltschäden im Boden entstehen. Außerdem erspart die Verwendung bioabbaubarer Folien den Landwirten die Arbeit, die Folien wieder einsammeln zu müssen.

Und welche Nachteile hat die Bioabbaubarkeit?

Kabasci: Wenn man ein Kunststoffprodukt hat, was einer biologisch aktiver Umgebung ausgesetzt ist, wie zum Beispiel eine Gießkanne, kann die Bioabbaubarkeit ein Nachteil sein. In dieser bleiben ständig Wasserreste stehen, wodurch sich darin eine Mikrobiologie entwickelt, die die Gießkanne dann nach und nach zerstört. So würde sie als Produkt nicht lange brauchbar sein.

Biologisch abbaubare Verpackungen für To-Go-Essen

Würden Sie sagen, dass biologisch abbaubare Kunststoffe für Verpackungen für To-Go-Essen genauso gut geeignet sind, wie die nicht-abbaubaren?

Kabasci: Von den Materialeigenschaften her gibt es biologisch abbaubare Verpackungen, die mit den herkömmlichen konkurrieren können. Bei der Frage, ob ein Material gut ist oder nicht, entscheidet der Anwender oft auch nach dem Preis. Hierbei schneiden die abbaubaren Materialien momentan schlechter ab, als die aus Rohöl hergestellten Stoffe. Bioabbau bedeutet bei der Entsorgung der Produkte aber auch eine Materialzerstörung, wohingegen der Wert des Materials beim Recycling von Plastik vorhanden bleibt.

Das Problem mit der Entsorgung

Wie entsorgt man eine solche abbaubare Verpackung, in der zum Beispiel Essen verpackt ist?

Kabasci: In Deutschland muss diese im gelben Sack entsorgt werden. Die Rechtslage hier ist eindeutig so, dass biologisch abbaubare Kunststoffe, bis auf eine Ausnahme, nämlich zugelassene Bioabfall-Sammelbeutel, nicht im Bioabfall entsorgt werden dürfen. Es ist in Deutschland grundsätzlich so, dass es eine Liste von Abfallstoffen gibt, die in die Bioabfalltonne dürfen. Auf dieser Liste stehen die biologisch abbaubaren Verpackungen, auch wenn sie zertifiziert abbaubar sind, nicht drauf.

Aber entnimmt das der Bioabbaubarkeit nicht den Sinn?

Kabasci: Der Punkt, dass der biologische Abbau eine Materialzerstörung ist, wird so hoch gewichtet, dass die abbaubaren Materialien als Einweg-Lösung angesehen werden, die nicht zur Zerstörung durch Abbau freigegeben werden sollen. Es wird eher versucht, zu 100 Prozent auf Recycling zu setzen.

Welche Produkte, zum Beispiel aus dem Supermarkt, wären konkret gut für abbaubare Verpackungen geeignet?

Kabasci: Kaffeekapseln. In diesem Fall wäre der übrige Kaffeesatz auch in den biologischen Nährstoffkreislauf einschließbar. Auch sind die oft auf Obstschalen zu findenden Aufkleber gut dafür geeignet. Da diese oft mit im Biomüll landen, dort aber nicht hingehören. Ein anderes Beispiel sind Teebeutel. Es ist kaum bekannt, dass Teebeutel häufig zu einem Teil aus nicht kompostierbaren Kunststoffen bestehen, es gibt sogar manche, die komplett aus Kunststoffen bestehen. In der Regel lässt es sich auch kaum erkennen, ob die Beutel abbaubar sind oder nicht, da es oft so aussieht, als wären sie aus Zellstoff.

Die Zukunft der Verpackungsindustrie

Wenn sich etwas in der Gesetzgebung ändern würde, wären die bioabbaubaren Kunststoffe die Zukunft der Verpackungsindustrie?

Kabasci: Ich denke, das wird nur für einzelne Produkte interessant sein. Nämlich in den Fällen, in denen es, wie bei der Kaffeekapsel, automatisch so ist, dass nach dem Gebrauch die biologischen Reste, sowie die Verpackung immer noch zusammen sind. In den meisten anderen Fällen ist es meiner Meinung nach im Verpackungsbereich sinnvoller, auf möglichst gut rezyklierbare Materialien umzustellen. Hierbei sollte von vornherein darauf geachtet werden, keine unterschiedlichen Kunststoffe, Farben oder Aufkleber, die nicht mit dem Kunststoffrecycling vereinbar sind, zu verwenden. Es ist auch wichtig, in der Herstellung und dem Design auf gute Restentleerbarkeit zu achten. Meiner Meinung nach ist auch die Verwendung von Mehrweg-Verpackungen ökologisch sehr sinnvoll. Besonders für To-Go Gerichte ist Mehrweg die beste Alternative

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