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Die Entfernung von Spurenstoffen aus Abwasser – bald Gesetz?

Spurenstoffe sind aktuell die größte Herausforderung bei der Abwasserbehandlung. Die Diskussionen, ob es in Zukunft ein Gesetz zur Spurenstoffentfernung geben soll, sind im vollem Gange. Ein Gesetz würde die Lage komplett verändern. Im Frühjahr 2022 will die EU-Kommission einen Gesetzentwurf vorlegen.

Spurenstoffe belasten nicht nur die Umwelt, sie sind auch teilweise schwer aus Ab- und Gewässern zu entfernen. Dr. Ing. Marie Launay ist Leiterin des Kompetenzzentrums Spurenstoffe Baden-Württemberg. Außerdem arbeitet sie in Gruppen der Europäischen Kommission, die sich mit einem Gesetz zur Spurenstoffentfernung befassen. In Frankreich hat sie Umweltschutztechnik studiert. An der Universität in Stuttgart hat sie dann zum Thema Spurenstoffemissionen in Gewässern bei Regenwetter promoviert. Sie kennt die Auswirkungen von Spurenstoffen und die Herausforderungen bei der Entfernung.

Das Kompetenzzentrum Spurenstoffe

Frau Dr. Launay, können Sie den Begriff “Spurenstoffe” erklären?

Launay: Spurenstoffe sind beispielsweise Arzneimittelrückstände, Industriechemikalien, Pestizide oder Korrosionsschutzmittel. Sie sind im Nanogrammbereich pro Liter in Wasser vorzufinden. Also in Gewässern, Abwasser oder auch in Trinkwasser wurden Spurenstoffe nachgewiesen, aber in sehr geringen Konzentrationen.

“Wir haben zwei Hauptaufgaben. Zum einen betreiben wir Aufklärung darüber, was Spurenstoffe in Gewässern anrichten können. Wir geben Tipps, was jeder einzelne machen kann, dass diese Stoffe erst gar nicht in den Wasserkreislauf gelangen.”

– Dr. Marie Launay

Was sind die Aufgaben des Kompetenzzentrums Spurenstoffe?

Launay: Wir haben zwei Hauptaufgaben. Zum einen betreiben wir Aufklärung darüber, was Spurenstoffe in Gewässern anrichten können. Wir geben Tipps, was jeder einzelne machen kann, dass diese Stoffe erst gar nicht in den Wasserkreislauf gelangen.
Zum anderen forschen wir an Spurenstoffen und deren Entfernung aus dem Abwasser. Normale Kläranlagen entfernen schon Spurenstoffe, aber eben nicht alle. Daher müssen neue innovative Techniken entwickelt und auch umgesetzt werden, damit man ein breites Spektrum dieser Stoffe entfernen kann. Wir testen Techniken zur Spurenstoffentfernung vor allem mit Aktivkohle, Ozon oder Membranen. Erst führen wir das Verfahren im Labormaßstab durch, dann begleiten wir es auf der Kläranlage.

Wie dringend ist ein Gesetz zur Spurenstoffentfernung?

Im Netz wird teilweise hitzig über die Reinheit von Leitungswasser diskutiert.
Frau Dr. Launay, wie sauber ist eigentlich unser Trinkwasser?

Launay: Leider wurden auch Spurenstoffe im Trinkwasser nachgewiesen. Das zeigt, wie persistent manche Stoffe sind. Wenn ein Stoff persistent ist, dann bedeutet es, dass er einfach in der Umwelt bleibt. Er kann nicht entfernt werden. Trotzdem ist die Konzentration so gering, dass es keine direkten Auswirkungen auf den Menschen hat. Für mich zeigt das, dass man dran bleiben muss überall im Wasserzyklus Maßnahmen zu ergreifen.

Würden Sie empfehlen Leitungswasser direkt aus dem Hahn zu trinken oder sollte man es vorher filtern?
Launay: Ich persönlich trinke nur Leitungswasser. Täglich gibt es rund 200 Messungen zur Kontrolle, dass die Trinkwasserqualität gegeben ist. Dabei vertraue ich auch voll auf meine Kollegen (lacht). Das einzige Problem, das es geben könnte, ist die Verunreinigung des Wassers durch alte Rohre. Das liegt dann aber am Haus selbst, nicht an der Wasseraufbereitung.

Durch die Pille gelangen Hormone ins Abwasser. Was sind davon die Folgen?

Launay: Hormone gelangen durch den Abwasserpfad auch in Gewässer. Die Fische nehmen dadurch weibliche Hormone über das Wasser auf. Tatsächlich wurde eine Verweiblichung von männlichen Fischen festgestellt. Dafür ist aber nicht allein die Pille verantwortlich. Es gibt nämlich Spurenstoffe, die eine ähnliche Wirkung haben. Daher ist es schwierig abzuschätzen, welche Auswirkungen direkt von der Pille stammen. Für einen Menschen sind die Konzentrationen aber zu gering, um eine konkrete Wirkung hervorzurufen.

Gesetzesentwurf zur Spurenstoffentfernung der EU

Frau Dr. Launay, wird es in Zukunft ein Gesetz zur Spurenstoff Entfernung für Kläranlagen geben?
Launay: Ich bin aktiv in Gruppen der europäischen Kommission, um eben diese Frage zu beantworten. Relevant für uns ist aber vor allem die Kommunalabwasserrichtlinie der EU. Diese besteht seit 1991. Genau die wird derzeit überarbeitet. Bis jetzt ist noch unklar, ob Spurenstoffe in dem Gesetz mit integriert werden oder nicht, aktuell ist es nicht der Fall. Die EU möchte im Frühjahr 2022 den Entwurf veröffentlichen. Bei dem Entwurf wird man dann sehen, ob Spurenstoffe berücksichtigt wurden oder nicht.

Welche Probleme könnte es bei einem Gesetz geben, das die Elimination von Spurenstoffen auf Kläranlagen festlegt?
Launay: Das ist sehr komplex, denn es muss ja EU-weit gelten. Manche Länder sind in der Abwasserbehandlung weiter als andere Länder. Außerdem stellt sich die Frage, welche konkreten Spurenstoffe man eliminieren möchte. Zudem braucht man ein konkretes Ziel, eine konkrete Eliminationsleistung, die man definieren müsste. Man würde man dann festlegen, dass Kläranlagen beispielsweise achtzig Prozent der Spurenstoffe eliminieren müssen. Meine Vermutung ist daher, dass nicht sofort, aber vielleicht in fünfzehn Jahren eine Eliminationsleistung für Kläranlagen für die Entfernung von Spurenstoffen festgelegt wird.

Hohe Belastung durch Spülmaschinentabs

Ob es nun ein Gesetz geben wird oder nicht: jeder Einzelne kann seinen Beitrag leisten. Frau Dr. Launay, haben Sie konkrete Tipps, was jeder einzelne machen kann, dass diese Stoffe erst gar nicht in den Wasserkreislauf gelangen?
Launay: Ja, ich habe einen Tipp beim Kauf von Voltaren-Salbe. Darin ist ein bestimmter Wirkstoff enthalten. Der Wirkstoff wirkt ähnlich wie Ibuprofen. Ibuprofen wird nachher im Wasser abgebaut, der Wirkstoff in Voltaren dagegen nur schlecht. Wenn man solch eine Salbe braucht, empfehle ich daher eine mit Ibuprofen zu kaufen. Es gibt Salben, die die gleiche Wirkung wie Voltaren aufweisen.

Außerdem gibt es beim Kauf von Spülmaschinentabs etwas zu beachten. Darin ist fast immer Benzotriazol enthalten. Das ist ein Korrisionsschutzmittel für Silberbesteck. Heutzutage hat aber so gut wie niemand mehr Silberbesteck. Man braucht den Stoff dort eigentlich gar nicht. Ich habe dazu eine Untersuchung gemacht. Von neunzig Spurenstoffen war Benzotriazol der Stoff mit der höchsten Konzentration. Meine Einschätzung ist, dass über die Hälfte davon von den Spülmaschinentabs stammt. Daher ist mein Tipp im Supermarkt darauf zu achten. Teilweise gibt es bereits Hinweise auf der Verpackung.

Schlussendlich sollte man alte Medikamente nicht in die Toilette entsorgen. Damit sie nicht in den Wasserkreislauf gelangen, muss man sie in den Müll werfen oder in der Apotheke abgeben.

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