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Urban Farming – Landwirtschaft auf den Dächern der Stadt

Global besteht Wasserknappheit. 70 Prozent des Wasserverbrauchs gehen allein auf das Konto der konventionellen Landwirtschaft. Urban Farming könnte diesem Problem entgegen wirken. Ziel ist es dabei, die Ressourcen so nachhaltig wie möglich zu nutzen.

Der Klimawandel zwingt uns zum Handeln. Mit gebäudeintegrierter Agrarwirtschaft, auch Urban Farming genannt, könnten wir wichtige Ressourcen sparen – Wasser, Energie und Nährstoffe. Bereits in vielen Städten wird über die Umsetzung von Urban Farming nachgedacht. Die Food and Agriculture Organization der United Nations (FAO) hat derzeit mehr als 600 Initiativen in 82 Ländern gelistet. Es gibt bereits erste Prototypen in mehreren Städten. Im Projekt Brooklyn Grange gedeihen in New York auf einem Hochhausdach Salat, Zucchini, Auberginen und Tomaten. Das Fraunhofer UMSICHT hat einen Prototypen in Oberhausen installiert. Auf dem Dach eines Jobcenters wachsen Salate, Kräuter und Erdbeeren. Noch gibt es aber Forschungspotential.

Im ALTMARKTgarten in Oberhausen forscht das Fraunhofer UMSICHT an Urban Farming. Quelle: © Fraunhofer UMSICHT

Das Konzept von Urban Farming

Das Forschungsinstitut Fraunhofer UMSICHT ist Vorreiter bei der Forschung an der Integration von Agrikultur in Städten. Dabei wurde das inFARMING®-Konzept für Urban Farming entwickelt. Mit Urban Farming sollen Standpunkte verändert werden. Dabei entfernt man sich von traditionellen Anbaumethoden auf dem Land, hinzu Obst- und Gemüseanbau in der Stadt. Dächer von Gebäuden sollen mit Gewächshäusern bestückt werden. Das bringt viele Vorteile. “Man kann frische Lebensmittel auf den Dächern erzeugen und direkt im innerstädtischen Bereich nutzen”, bewertet Dr.-Ing. Ilka Gehrke positiv. Sie ist Leiterin der Abteilung Umwelt und Ressourcennutzung des Fraunhofer UMSICHT. Außerdem ist bei Verbrauchern zu beobachten, dass sie mehr Wert auf regionale Produkte legen.
Bei Urban Farming sind unter anderem Technologien zur Abwärmenutzung und Beleuchtungsstrategien für gebäudeintegrierte Gewächshäuser relevant. Intelligente Wasseraufbereitung und -nutzung steht beim Konzept von Urban Farming aber an erster Stelle. Die Forschenden des Fraunhofer UMSICHT haben Methoden entwickelt, um das Ab- und Regenwasser der Gebäude aufzubereiten und direkt vor Ort wieder zur Bewässerung einzusetzen. Dabei sollen aus dem Abwasser zudem wichtige Nährstoffe erhalten bleiben.

Relevanz durch Klimawandel

“Aufgrund des Klimawandels kann es zu Wasserknappheit auch in Teilen Deutschlands kommen”, so Simone Krause. Sie ist die Gruppenleiterin für Urbane Transformation bei Fraunhofer UMSICHT. Urban Farming gewinnt dadurch an Relevanz. Durch Stürme und extreme Wetterereignisse werden Ernten zerstört. Eine Landwirtschaft unter Dachproduktion ist unabhängig der äußeren Umstände. Außerdem werden Flächen mit hoher Biodiversität nach und nach zur Rarität. Urban Farming nutzt bereits versiegelte Flächen, vor allem Dächer. Die Idee dahinter ist, dass keine zusätzlichen Flächen verschwendet werden. Zusätzlich können durch die Nutzung bestehender Flächen in Städten, Flächen auf dem Land aus der Produktion genommen werden. Damit können diese ökologisch aufbereitet oder kontrolliert biologisch bewirtschaftet werden, erklärt Krause. Durch eine digitale Düngung und Bewässerung erhält die Pflanze das, was sie benötigt. Es wird daher nicht zu viel gedüngt oder bewässert. Somit soll Urban Farming zu einem geringeren Wasserverbrauch in der Agrarwirtschaft beitragen.

Projekt “Altmarktgarten” in Oberhausen. Quelle: © Fraunhofer UMSICHT

Wasseraufbereitung bei Urban Farming

Laut einer Studie von Fraunhofer erfolgt die Bewässerung der bestehenden gebäudeintegrierten Gewächshäuser zu 80 Prozent mit recyceltem Wasser. Auch das Forschungsinstitut selbst hat im Rahmen des inFARMING®-Konzepts Methoden zur Wasserwiederverwertung entwickelt. Möglichkeiten der Nutzung liegen in der Aufbereitung des Abwassers der Häuser. “Es gibt zwei verschiedene Abwasserstränge im Haushalt, das Schwarz- und Grauwasser”, erklärt Gehrke. Das Toilettenabwasser wird auch Schwarzwasser genannt. Das Grauwasser ist das übrige Abwasser, beispielsweise Wasser aus Spül- und Handwaschbecken oder der Dusche. Bei der Wasseraufbereitung erfolgt die Behandlung der beiden Stränge getrennt.

Grauwasseraufbereitung

Die Mitarbeiter*innen des Fraunhofer UMSICHT nutzen das Grauwasser in aktuellen Projekten als Betriebswasser für die Toilettenspülung. Unter dem Begriff Betriebswasser versteht man Wasser, welches nicht unbedingt Trinkwasserqualität hat, aber trotzdem beispielsweise für Toilettenspülungen eingesetzt werden kann. Außerdem verwenden die Forschenden das Grauwasser zusammen mit Regenwasser für eine Teilbewässerung der Pflanzen auf dem Dach. Die Aufbereitung erfolgt über einen Behälter mit einem Fassungsvermögen von 1,5 m³, der in der Regel im Keller des Gebäudes steht. “Der Behälter ist mit einem Grobfilter, einer biologischen Aufbereitungsstufe und einem Membranfilter ausgestattet”, erklärt Krause. Mikroorganismen entfernen organische Bestandteile, wie Haut- und Haarteilchen oder Seifen bei der biologischen Aufbereitungsstufe. Bei einem Membranfilter läuft das Wasser durch eine dünne, mikroporöse Membran. Dadurch bleiben ungewollte Bakterien und Viren in der Membran zurück. Somit erreicht das Betriebswasser die Qualität gemäß der Anforderungen der EU-Badegewässerrichtlinie.

Schwarzwasseraufbereitung

Üblicherweise wird bei kleineren Aufbereitungsanlagen in Wohnhäusern nur das Grau- und Regenwasser verwendet. Die Forschenden des Projekts vom Fraunhofer Institut gingen einen Schritt weiter. Sie haben auch das Toilettenwasser aufbereitet. Die Aufbereitung wurde mit einem Membran-Bioreaktor durchgeführt, so Gehrke. Bei dem Prozess bauen Mikroorganismen Schadstoffe ab. Danach wird das Wasser durch eine Reihe von Membranen geleitet.

Das Toilettenabwasser bietet zudem einen entscheidenen Vorteil. “Aus dem Schwarzwasser können wichtige Nährstoffe extrahiert werden”, erklärt Krause. Die Komponenten Stickstoff, Phosphor und Kalium sind in Schwarzwasser enthalten. Das sind Nährstoffe, die für die Düngung der Pflanzen optimal geeignet sind. Daher könnten es Nutzer*innen zukünftig nach einer Aufbereitung direkt als flüssigen Dünger für Pflanzen einsetzen. “Das ist eine innovative Option”, lobt Gehrke. Laut der Expertin können diese Arten der Wasseraufbereitung in jedem Keller eines Wohnhauses stattfinden. Dafür wäre keine große Anlage nötig.

Hydrokulturen – die Lösung?

Ein großes Problem beim Urban Farming stellt die Last der Pflanzenerde dar. Die Dächer der Häuser müssten ein hohes Gewicht von der Erde tragen. Hydropflanzen können die Lösung sein, da bei dieser Anbaumethode keine Erde benötigt wird. Laut des Fraunhofer UMSICHT wachsen viele Gemüsesorten auch in hydroponischen Systemen. Tatsächlich eignen sich vor allem Salate oder Kräuter für dieses Anbausystem. Trotzdem benötigen wichtige Gemüsesorten, wie Mais, Reis oder Weizen, Erde zur Kultivierung.

Beim hydroponsichen Anbau werden die Pflanzen in Wasser angereichert. Quelle: Pixabay

Bei der sogenannten Hydroponik werden die Pflanzen durch Wasser und Nährstoffe angereichert. Erde ist dabei nicht im Spiel. Das aufbereitete Abwasser kann nun im Idealfall zur Bewässerung der Pflanzen auf dem Dach eingesetzt werden. “Hydrokulturen sind gut für Urban Farming geeignet, weil die Nährstoffe genau so, wie es die Pflanze braucht, zugegeben werden. Zudem wachsen die Pflanzen in einem kontrolliertem Umfeld”, erklärt Gehrke. Durch die direkte Nährstoffzugabe zeigen manche Gemüsesorten im Vergleich zu herkömmlichen Erdkulturen ein verbessertes Wachstum. Dadurch sind in der Regel höhere Erträge zu erwarten. Außerdem treten bei diesen Pflanzen seltener Schädlinge auf, da keine Erde vorhanden ist, in die sie sich einnisten könnten.

Der Wasserkreislauf der hydroponischen Pflanzensysteme

Hydroponische Pflanzensysteme ergeben einen geschlossenen Wasserkreislauf. Es gibt verschiedene Systeme. Bei der sogenannten Nährstoff Film Technik (NFT) werden die Pflanzen in einer Rinne kultiviert. Bewässert werden sie dabei mit Nährstoffen angereicherter Flüssigkeit. “Bei rezirkulierenden Systemen wird die Nährstofflösung aus einem Tank zu den Pflanzenwurzeln gepumpt”, erklärt Astrid Walch. Sie ist Expertin für hydroponische Pflanzensysteme. Das angereicherte Wasser fließt dann durch die Rinne, in der die Wurzeln stehen. Die Pflanzen bedienen sich dadurch selbst der Nährstoffe, die sie benötigen. Die übrige Lösung fließt daraufhin wieder zurück in den Tank und der Kreislauf beginnt von vorne. “Der Vorteil hierbei ist, dass man einen geringeren Verbrauch von Ressourcen, wie Wasser und Nährstoffen hat”, erklärt Walch.

Ein hydroponisches Pflanzensystem anhand eines DFT – Deep Flow Systems. Quelle: Jürgen Walch


Bei Erdpflanzen ist das Gegenteil der Fall. Beim Einsatz von Erde verdunstet viel Wasser. Die Erde ist ständig feucht und verliert dadurch Feuchtigkeit an die Raumluft. Die Pflanze nutzt somit nicht die komplette Feuchtigkeit, die in der Erde ist.
Laut Walch sind Hydrokulturen beim Urban Farming optimal. “Mit hydroponischen Systemen hat man ein kontrollierbares Anbausystem, das einfach zu automatisieren ist”, so Walch. Gehrke gibt aber etwas zu bedenken. “Diese Systeme sind zwar gut zu steuern, aber der Aufwand ist zumeist höher, als beim konventionellen Erdanbau.” Im kommerziellen Maßstab sind zudem die Anschaffungskosten relativ hoch. Es muss viel Equipment, wie Pumpen und Behältnisse gekauft werden.

Ausblick für Urban Farming

Wie hoch der Wasserverbrauch beim Obst- und Gemüseanbau ist, ist vor allem eine Frage des Standortes und der Produktionsbedingungen. So verbrauchen deutsche Landwirte im globalen Vergleich relativ wenig Wasser. Laut des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft können 99 Prozent des Bedarfs durch Niederschlagswasser gedeckt werden. Aktuell könnte daher Urban Farming hinsichtlich des Wasserverbrauchs in Ländern mit trockenem Klima eine vorrangige Rolle spielen.

Maisernte in der konventionellen Agrarwirtschaft. Quelle: Pixabay

Mit den Konzepten des Fraunhofer UMSICHT zur Wasseraufbereitung kann ressourcenschonend Obst- und Gemüse bewässert werden. In Kombination damit sind hydroponische Pflanzensysteme gut für Urban Farming geeignet. Bei der Umsetzung für mehrere Gebäude einer Stadt könnte ein Problem jedoch der Kostenpunkt sein, da das Equipment vom Gewächshaus bis zu den Wasseraufbereitungsanlagen in der Anschaffung hohe Summen an Geld kostet. Das Forschungspotential ist daher nach wie vor hoch. Die schon vorhandenen Technologien spielen in Zukunft eine wichtige Rolle, auf die Forschende aufbauen können. Krause ist sich sicher: “Urban Farming ist ein wichtiger Baustein für die Transformation der Landwirtschaft und der Städte.”

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