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Tomaten für den Mars und Dünger aus Urin

Auf dem Mars sind Nährstoffe begrenzt. Wenn Astronaut:innen auf einer Mission im Weltall unterwegs sind, sollten sie dennoch über ihre Nahrung mit genügend Nährstoffen versorgt werden. Menschlicher Urin enthält wichtige Mineralien. Wird er weggeworfen, gehen wichtige Nährstoffe verloren. Eine Option ist es daher einen Nährstoffkreislauf herzustellen. 

Ilse Holbeck vom Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat im Rahmen des C.R.O.P.®-Projekts Tomaten mit Urin gedüngt und angebaut. Es ist ein Nährstoffkreislauf entstanden, der vor allem für Astronauten im Weltall relevant wäre. Das ungewöhnliche Projekt stellte sie mit ihrem Team auf der Re:publica 2022 in Berlin vor.

Die Tomaten werden mit einer Urinlösung angereichert. Foto: Katharina Stöger

Tomaten für den Mars

Ilse, um was geht es bei dem C.R.O.P.®-Projekt?

Wir vom Deutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt aus dem Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin forschen bei dem C.R.O.P.®-Projekt an bioregenerativer Lebenserhaltung. Ganz konkret geht es um die Umwandlung von menschlichem Urin zu Düngelösung für den Lebensmittelanbau. Dabei forschen wir unter anderem an der Frage, wie man Astronauten auf einem fremden Planeten, beispielsweise dem Mars, mit Rohstoffen versorgen würde. Außerdem geht es darum, auf der Erde die Nährstoffketten zu schließen und im Rahmen der planetaren Grenzen den Stickstoff im Lebenserhaltungssystem zu halten. “Tomaten auf dem Mars” ist ein Teil des Projekts.

Warum hat das vor allem im Weltall Relevanz?

Wenn man aus der Perspektive von Langzeit-Raumfahrtmissionen denkt, dann sind die Ressourcen natürlich viel beschränkter als auf der Erde. Dementsprechend müssen wir Nährstoffketten schließen, um die Astronauten zu ernähren. Dafür brauchen wir wiederum den Stickstoff, den wir ausscheiden. Damit könnten dann theoretisch Tomaten auf dem Mars angepflanzt und mit dem Urin der Astronauten angereichert werden. 

Quelle: ©DLR. Nährstoffkreislauf auf einer Mond- oder Marsbasis.

Urin als Dünger

Woher kommt die Idee Urin als Dünger zu verwenden?

Unser Ziel war es herauszufinden, wie man Ressourcen nachhaltig wiederverwenden kann. Daraus ist das Projekt entstanden. 

Wird der Urin aufbereitet oder werden die Pflanzen mit purem Urin versorgt?

Unsere Anlage lässt den Urin durch einen Rieselfilter laufen. Der Filter besteht aus Lavagestein und dort wächst ein Biofilm, worin dann Mikroorganismen leben. Diese führen eine Nitrifikation mit dem Urin durch. Durch den Prozess wird dann aus dem Urin nitrathaltiger Dünger. 

“Tomaten für den Mars” auf der Re:publica. In der Filterstation wird der Urin aufbereitet (rechts). Foto: Alper Dinç

Also würde es keinen Unterschied machen wenn man mit menschlichem Urin düngen würde?

Das funktioniert genauso mit humanem Urin. Dazu forschen wir natürlich auch. Menschlicher Urin wird aber in Pflanzversuchen nicht genutzt, dafür braucht man dann spezielle Experimentierfelder. Grund dafür ist die patogene Belastung des menschlichen Urins. Das sind Bestandteile, die eine Erkrankung hervorrufen könnten. 

Düngen mit Urin: die politische Situation

Viele wünschen sich die Nährstoffwende. Foto: Katharina Stöger

Es gibt ja gewisse Gesetze, dass kein menschlicher Abfall als Dünger verwendet werden darf. Behindert euch das bei eurer Arbeit?

Ja, das Problem ist, dass es Düngegesetze und Abfallgesetze gibt. Der Urin ist streng genommen ein Abfallprodukt in Europa und darf im professionellen Rahmen nicht zum düngen benutzet werden. Daher arbeiten wir in der Forschung hauptsächlich mit synthetischem Urin, dann haben wir zudem immer die gleiche Qualität des Ausgangsmaterials. 

Ist euer Ziel das Projekt so weit voran zu treiben, dass man irgendwann menschlichen Urin dafür verwenden darf? Natürlich mit vorheriger Reingung, um mögliche Krankheitserreger loszuwerden.

Genau, uns geht es darum die politische Situation zu verändern. Ziel ist es, die Gesetzeslage zu verändern und dass wir als Menschen unsere Abfälle als Nährstoffquelle begreifen. 

Baut ihr eine spezielle Tomatensorte an?

Wir Menschen ernähren uns relativ salzhaltig. Daher ist auch unser Urin stark salzig. Wir haben daher Galapagos-Tomaten angebaut, die kommen wie der Name schon sagt von den Galapagos-Inseln. Sie wachsen dort am Meer und sind an Salz gewöhnt. Daher eignen sie sich gut als Anschauungsobjekt, weil die einfach super auf das Salz reagieren. 

Tomatenpflanzen, die mit Urindünger gezüchtet wurden. Foto: Katharina Stöger

Tomaten auf der Erde

Hätte das Projekt auch für die Erde Relevanz?

Ja, wir machen immer eine zweigleisige Forschung. Wir machen das nicht nur für Space Anwendungen, sondern es geht auch immer darum auf der Erde Veränderungen zu bewirken. 

In welchem Bereich der Erde könnte der Nährstoffkreislauf Anwendung finden?

Vor allem im Hinblick auf hydroponische Systeme hat unser Projekt Relevanz – beispielsweise im Urban Farming. In Deutschland haben wir unfassbar viel Dachfläche zur Verfügung, worauf man Urban Farming betreiben könnte. Wenn wir an dieser Stelle besser mit den Flächen umgehen würden, könnte man eine Nährstoffrevolution beziehungsweise eine Nährstoffwende bewirken. 

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