Aktivkohle
5. November 2022
Zero Trace: Spurenstoffentfernung mit nachhaltiger Aktivkohle
Spurenstoffe sind schwer aus Gewässern zu entfernen. Bereits verfügbare Verfahren zur Filterung sind zudem meistens umweltschädlich. Das Fraunhofer UMSICHT hat daher Zero Trace entwickelt. Vor allem soll das Verfahren nachhaltig sein, obwohl Kohle im Einsatz ist. Kann es daher überhaupt umweltfreundlich sein?
Relevanz von Zero Trace
Bislang gibt es kein bundeseinheitliches Gesetz zur Spurenstoffentfernung auf kommunalen Kläranlagen. Bei einer Delphi-Studie waren sich knapp 70 Prozent der befragten Expert*innen einig: Das Fehlen einer Richtlinie ist das größte Hindernis der Umsetzung von Verfahren zur Spurenstoffelimination. “In der EU-Kommission wird aktuell über ein Gesetz diskutiert. 2022 soll der Gesetzentwurf vorgelegt werden”, so Dr. Ing. Marie Launay. Sie arbeitet in Gruppen der Europäischen Kommission, die sich mit der Thematik beschäftigen. Außerdem ist sie die Leiterin des Kompetenzzentrums Spurenstoffe Baden-Württemberg.
Die Relevanz von Spurenstoffentfernung aus Gewässern ist hoch. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt. Ältere Menschen benötigen im Durchschnitt mehr Medikamente, als junge Menschen. Das Umweltbundesamt rechnet daher mit einem Anstieg von Arzneimittelrückständen in Ab- und Gewässern. Aktuell setzen einige Kläranlagen bereits Aktivkohlefilter ein. Dieses Verfahren ist zwar effektiv, aber meistens nicht nachhaltig. “Ein Nachteil von Aktivkohle ist derzeit, dass ein hoher Anteil in Asien aus nicht nachhaltigen Quellen hergestellt wird”, erklärt Launay. Falls ein Gesetz zur Spurenstoffentfernung für Kläranlagen in Kraft treten sollte, wird es eine hohe Nachfrage an Verfahren mit Aktivkohle geben. Das Zero Trace Verfahren wird dann in den Fokus der Kläranlagen rücken, die Wert auf ein nachhaltiges Aktivkohleverfahren legen.
Projektziele bei Zero Trace
Ziel des Forschungsinstituts Fraunhofer UMSICHT war, ein nachhaltiges Verfahren zur Entfernung von Spurenstoffen mit Aktivkohle zu entwickeln. Dabei gab es einige Bedingungen zu erfüllen.
Industrielle und kommunale Anwendbarkeit hatte erste Priorität. Daher mussten die Kohlen in großen Mengen preiswert hergestellt oder erworben werden können. Im Fokus des Projekts steht die Nachhaltigkeit. Die Kohlen sollten demnach ortsnah effizient reaktivierbar sein. Das bedeutet, man sollte sie mehrmals verwenden können. Die Kohlen müssen zudem eine hohe Leitfähigkeit besitzen. Dieser Aspekt ist für das neue elektrische Regenerationsverfahren (EFSA-Electric Field Swing Adsorption) essentiell. Ein wichtiges Kriterium sei selbstverständlich auch, dass das Verfahren “möglichst viele Arten von Spurenstoffen entfernen kann”, erklärt Dr.-Ing. Ilka Gehrke, Projektkoordinatorin von Zero Trace.
Aktivkohle aus deutschen Buchen
“Aktivkohle ist bei der Spurenstoffelimination durchaus bekannt und effektiv”, so Gehrke. Kommerziell verfügbare Aktivkohlen werden oftmals auf der Basis von Steinkohle oder Kokosnussschalen hergestellt. Die bereits verfügbaren Kohlen waren für das Zero Trace Verfahren jedoch nicht geeignet. Daher hat das Fraunhofer UMSICHT eigene Kohlen entwickelt. Holzkohlen aus deutschen Buchen erwiesen sich als passend beim Regenerationsprozess, sowie effektiv in der Spurenentfernung. Laut einer Studie des PFI weist vor allem der Spurenstoff Diclophenac in Abläufen von Kläranlagen im Vergleich zu anderen Spurenstoffen eine der höchsten Konzentrationen auf. Diclophenac ist in Arzneimitteln zur Schmerzbehandlung enthalten, beispielsweise in Voltaren-Salbe. Der Spurenstoff konnte mit den Kohlen von Zero Trace fast vollständig aus dem Abwasser entfernt werden.
Filterungsprozess mit dem Zero Trace Verfahren
Die Forscher*innen des Fraunhofer UMSICHT haben Versuchsanlagen mit mehreren Adsorbern aufgebaut. Adsorber sind geschlossene Behälter, gefüllt mit der Aktivkohle. Das zu reinigende Wasser wird dann zur Filterung hindurch geleitet.
Die Spurenstoffe lagern sich auf der Oberfläche der Kohlen an. Durch die vielen kleinen Löcher haben sie eine enorm hohe innere Oberfläche und sind sehr porös. Je höher die innere Oberfläche, desto mehr Spurenstoffe kann die Kohle demnach aufnehmen. Das Verfahren wurde über mehrere Monate als Pilotprojekt für industrielles und kommunales Abwasser auf der Kläranlage Wuppertal-Buchenhofen erprobt.
Der Regenerationsprozess der Aktivkohlen
Wenn die Oberfläche der Kohle voll beladen ist, kann sie nicht mehr verwendet werden. “Es wird auch vom Durchbruch des Adsorbers gesprochen”, erklärt Gehrke. Dann muss die Kohle entweder entsorgt oder in diesem Fall gereinigt werden. Durch Sonden kann online gemessen werden, wann dieser Punkt erreicht ist.
Statt die beladenen Aktivkohlen unter großem logistischen Aufwand in einer dezentralen Regenerationsanlage zu reaktivieren, wurde in Zero Trace ein Reaktor entwickelt. Dieser kann direkt auf der Kläranlage installiert werden. In ihm findet dann der Regenerationsprozess der Kohlen statt. Der Reaktor ist ein zylinderförmiger Behälter, in dem die beladenen Aktivkohlen aufbereitet werden. An beiden Enden des Zylinders wird je eine Elektrode angeschlossen, durch die Strom geleitet wird. Hier kommt die Leitfähigkeit der Kohlen ins Spiel. Der Strom fließt durch die Kohlen. Diese erwärmen sich dadurch auf 550 °C. Die hohe Temperatur löst so die Spurenstoffe von der Kohle und die organischen Stoffe verbrennen. Nach dem Prozess sind die Kohlen gereinigt und damit wieder einsatzbereit. “Das Verfahren ist nachhaltiger, als klassische Regenerationsprozesse”, erklärt Gehrke. Bei üblichen Verfahren wird der Ofen mit Kohle und Gas geheizt.
Zero Trace Kohle im Vergleich zu anderen Kohlen
Die Buchenholzkohle hat Stärken und Schwächen. Kokosnusskohle hat im Durchschnitt eine innere Oberfläche von 1000 m2 pro Gramm. Dadurch ist sie sehr porös. Die Zero Trace Aktivkohle aus Buchenholz hat hingegen eine innere Oberfläche von 700 m2 pro Gramm. Laut Gehrke liegt der Wert aber immer noch im normalen Bereich. Demnach filtert Kohle aus Kokos effektiver als die Buchenholzkohle aus dem Zero Trace Verfahren. “Die Kokosnusskohle kann dadurch viele Stoffe sehr gut filtern, jedoch ist es aber dann auch schwerer die Kohle wieder zu reinigen”, merkt Gehrke an.
Aktuell wird auch an anderen nachhaltigen Verfahren zur Entfernung von Spurenstoffen geforscht. Die Technische Universität Dresden forscht an Biofiltersystemen auf der Basis von Pilzenzymen. Launay sieht aber in der großtechnischen Umsetzung Probleme. “Mit Enzymen kann man eher gezielt spezielle Spurenstoffe abbauen. Es ist aber nicht so, dass sie alle Spurenstoffe auf einmal eliminieren können”, so Launay. Die Expertin bewertet die Forschungen grundsätzlich positiv: “Ich finde es sehr gut, dass versucht wird, nachhaltige Aktivkohle herzustellen. Es gibt auch Universitäten, die aus Altholz oder Grünschnitt Aktivkohle in Deutschland produzieren. Man nutzt dabei ja Abfallprodukte.” Die Forscher*innen von Zero Trace kamen zu dem Ergebnis, dass pro Tonne eingesetzter Aktivkohle aus regenerativen Materialen, wie die der Buchenholzkohle, die Emissionen um rund 800 kg CO₂-eq niedriger sind als mit fossilen Ressourcen.
Zukunft des Zero Trace Verfahrens
Das Fraunhofer UMSICHT hat ein Projekt an zwei Kläranlagen geplant. Daran wollen die Forscher*innen das Zero Trace Verfahren in großem Maßstab ausprobieren. “Wir wollen die Prozesse mehr miteinander koppeln”, erklärt Gehrke. Das sei die nächste geplante Stufe. Es gibt bereits Interessenten für das Verfahren. Laut der Expertin brauchen die Forscher*innen aber noch mehr Daten zur Regeneration hinsichtlich der kommerziellen Anwendbarkeit. In weiteren Forschungen soll herausgefunden werden, wie oft die Kohle regeneriert werden kann. “Aber sonst ist das Verfahren grundsätzlich in jedem Fall kommerziell umsetzbar. Es ist nun einfach noch die Frage, ob es das auch in der Stabilität dauerhaft über einen längeren Zeitraum tut.”
Sobald ein Gesetz zur Spurenstoffentfernung in Kraft tritt, müssen Kläranlagen eine entsprechende Reinigungsstufe installieren. Dadurch würde die Nachfrage an Aktivkohle steigen. Laut Launay ist es daher sinnvoll Aktivkohle aus nachhaltigen Quellen lokal herzustellen und daran zu forschen. Zero Trace könnte demnach zukünftig für Kläranlagen eine nachhaltige Alternative zu anderen Eliminationsverfahren darstellen. Gehrke betont: “Wenn man hohen Wert auf die Nachhaltigkeit legt, dann wäre der Zero Trace Prozess in jedem Fall der Beste.” Die Benutzung von nachhaltiger Kohle und die Durchführung des Regenerationsprozess vor Ort ist ein Schritt in die richtige Richtung. Für weitere Forschungen an nachhaltiger Spurenstoffentfernung wird Zero Trace wegweisend sein.