Toggle Navigation

Burger und Steak aus der Petrischale

Vegane Ernährung findet mehr Anklang denn je. Trotzdem möchten viele nicht völlig auf Fleisch verzichten. Oft scheitert die Ernährungsumstellung daran, dass Ersatzprodukte geschmacklich nicht an das Original herankommen. In der Medizin können bereits Herzklappen in Bioreaktoren hergestellt werden. Wie wäre es also künstliches, leckeres Fleisch im Labor zu kreieren? Sind Burger und Steak aus der Petrischale unsere Zukunft?

Die Herstellung von In Vitro Fleisch

Gewebe im Reagenzglas herzustellen ist längst keine Fiktion mehr. Für die Erzeugung von Fleisch im Labor, sogenanntem “In Vitro Fleisch“, wird einer lebendigen Kuh bei einem chirurgischen Eingriff Muskelgewebe entnommen. Dieses wird in eine Nährlösung gegeben. Sie besteht überwiegend aus Zucker, Proteinen, Wachstumsfaktoren und Fetten. In diesem Nährmedium wachsen die Muskelzellen in Bioreaktoren zu dünnen Schichten von Muskelfasern zusammen. Zellschichten können zu Zellverbänden gepresst werden. Dadurch entsteht eine fleischähnliche Masse.

Die ersten In Gerichte aus dem Labor

Seit 1990 wird in der Niederlande an einer künstlichen Muskelfleischherstellung geforscht. 2013 wurde der erste Laborburger weltweit präsentiert. Rund 3000 000 Dollar kostete das Stammzell-Patty in der Herstellung. Etwa 3000 der Zellverbände wurden immer wieder aneinander “geklebt”, bis daraus eine burgerähnliche Masse entstand. Das Produkt wurde unter der Leitung des Mediziners Mark Post an der Universität Maastricht hergestellt. Zuvor hatte die niederländische Regierung bereits mit zwei Millionen Euro in seine Forschung investiert.

Die Gruppe der Testesser bestand aus der Wissenschaftlerin Hanni Rützler, sowie dem US-Gastronomie-Journalist Josh Schonwald. Das Fazit: der Geschmack sei zufriedenstellend gewesen. Lediglich etwas Fett hätte gefehlt. Herkömmliches Fleisch sei saftiger, als es das In Vitro Patty war.

Auch Steak und Filets aus dem Labor sind seit 2019 Realität. Die Herstellung gestaltet sich jedoch weitaus schwieriger als sie es beim Burgerpatty ist. Im Gegensatz zum Hackfleisch müssen beim Steak genauste Strukturen nachahmen werden, um ein authentisches Produkt herzustellen. Die Kosten für ein fünf Millimeter dickes Steak betragen aktuell rund 50 Euro.

Klimakiller Massentierhaltung

Es ist kein Geheimnis, dass Massentierhaltung eine große Gefahr für uns und unser Klima darstellt. Die Weltbevölkerung beträgt mehr als 7,9 Milliarden (Stand: 31.03.2022). Schätzungen zufolge soll dieser Wert bis 2050 die 10 Milliarden Grenze knacken. Der menschliche Verzehr von Fleisch beläuft sich jährlich auf rund 43 Kilogramm pro Person. Das entspricht circa einem neugeborenen Kalb. Im Durchschnitt isst jeder/jede Deutsche im Laufe seines/ihres Lebens laut des aktuellen Fleischatlas der Heinrich-Böll-Stiftung 1.094 Tiere: Vier Rinder, vier Schafe, zwölf Gänse, 37 Enten, 46 Schweine, 46 Puten und 945 Hühner.

Schon heute gehen 70 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen weltweit auf das Konto der Viehmast. Tendenz steigend. Allein für den Anbau der Sojabohne, die Masttieren als Futter dient, werden massive Regenwaldflächen abgeholzt. Diese werden für die Landwirtschaft genutzt. Dünger verunreinigen den landwirtschaftlichen Nutzboden und werden durch den einseitigen Anbau auf Dauer zerstört.

Für die Nahrung, sowie für die Verpflegung eines Tiers werden viele tausende Liter Wasser benötigt. Während ein Apfel insgesamt circa 140 Liter Wasser verbraucht, fallen für die Herstellung einer Scheibe Steak circa 3098 Liter Wasser an. Auf die weltweite Wasserknappheit blickend, ist das ein Problem.

Des Weiteren stoßen Tiere, insbesondere Kühe einen hohen Anteil an Kohlenstoffdioxid (C02) aus. Neben Methan (CH4) und Lachgas (N2O) stoßen die Tiere hohe Mengen an C02 aus. Diese Stoffe tragen zum Treibhauseffekt und so zu Klimaerwärmung bei.

Massentierhaltung und die Gefahr für unsere Gesundheit

In der Massentierhaltung leben und sterben allein in Deutschland etwa 763 Millionen Tiere pro Jahr (Stand 2019) – exkl. Fische und Krebstiere. Die Umstände denen sie ausgesetzt sind, sind meist deutlich verbesserungswürdig. Der Fleischkonsum unserer Gesellschaft führt zu Massentierhaltung. Laut der Albert-Schweizer-Stiftung werden den meisten Tieren gewaltsam den Haltungsformen angepasst. Hörner, Ringelschwänze, Schnäbel und auch Zähne werden ohne Betäubung gekürzt oder abgetrennt. Wesentliche Grundbedürfnisse der Tiere werden laut der Stiftung ignoriert. Ihre Bewegungsfreiheit wird stark eingeschränkt und die Tiere leben auf engstem Raum.

Meist hat ein ausgeprägter Fleischkonsum negative Folgen für unsere Gesundheit. Er kann Übergewicht, Bluthochdruck, Herzkreislauferkrankungen und Diabetes fördern. In der konventionellen Tierhaltung wird dem Tier meist routinemäßig Antibiotika zugeführt, um die Tiere trotz unpassender Haltung leistungsfähig zu erhalten. Das birgt Gefahren für die menschliche Gesundheit. Durch den Konsum kann auf Dauer eine Antibiotikaresistenz entstehen.

Ist In Vitro Fleisch wirklich die bessere Alternative? 

Für die Herstellung von Laborfleisch werden aktuell in den meisten Fällen tierische Inhaltsstoffe verwendet. In vielen Fällen wird für das Nährserum, in dem die Muskelfaser wachsen, fötales Kälberserum benutzt. Für die Gewinnung wird einer trächtigen Kuh nach der Schlachtung der lebendige Fötus entnommen. Diesem wird eine Nadel in das intakte Herz eingeführt und das Blut entleert. Der Fötus stirbt bei dem Prozess. Pflanzliche Alternativen wie Hefezellen, Algen und Pilze werden erforscht und teilweise bereits eingesetzt. Eine Alternative zur Biopsie, also dem chirurgischen Eingriff gibt es bislang nicht. Für diese Stammzellenentnahme hingegen muss das Tier nicht sterben. Der Ablauf ist größtenteils schmerzfrei.

Bei der Herstellung des Muskelgewebes werden wie bei der herkömmlichen Fleischgewinnung Antibiotika eingesetzt. Zellkulturen besitzen kein eigenes Immunsystem und müssen geschützt werden. Bei einer großskaligen Produktion mit sterilen Bedingungen dürfte dies laut Mark Posts (Professor vaskulärer Physiologie an der Universität Maastricht) jedoch nicht mehr nötig sein. Es könnte sogar mit Vitaminen und Nährstoffen angereichert werden. Grundsätzlich haben die In Vitro Varianten einen geringeren Land-, Wasser sowie Energieverbrauch. Für die Ökobilanz ist es wichtig, eine energieeffiziente und nachhaltige Stromversorgung zu nutzen.

Fleisch aus dem Labor könnte eine umweltfreundlichere Alternative zu konventionell produziertem Fleisch und Vegetarismus darstellen. Laut einer Studie der Universitäten von Oxford und Amsterdam würden bei der Laborproduktion bis zu 96 Prozent weniger Treibhausgase anfallen und zwischen sieben und 45 Prozent weniger Energie würden verbraucht. Tierschutzverbände wie Peta begrüßten den Prototyp des fast tierlosen Burgers ebenfalls.

In Vitro Fleisch: Aktuell noch vergleichsweise teuer

„Ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns in Zukunft immer weiter von tierischen Produkten, wie wir sie heute kennen, entfernen werden.“ 

Mark Post

Der jetzige Stand ist jedoch ernüchternd. Das Alternativfleisch ist um ein Vielfaches teurer als die herkömmliche Variante. Jedoch sind die Kosten seit 2013 stark gesunken. Sollte es in Zukunft eine Massenproduktion des In Vitro Burgers geben, könnte der Kunde mit ungefähr 12 Euro pro Patty rechnen. Dazu müssten erstmals die Umstände geschaffen werden, die eine Massenproduktion ermöglichen. Enorme Bioreaktoren müssen zuvor gebaut werden. Diese gibt es bislang noch nicht.

Mittlerweile beschäftigen sich mehrere Start Ups intensiv mit der künstlichen Fleischherstellung. Deutschland ist mit dabei. Im Vergleich sind uns andere Länder aber schon weit voraus. In Singapur kann man bereits in Restaurants und Supermärkten die “Hähnchenvariante” von “Eat Just“ erwerben. Es besteht jedoch nur aus geringen Teilen aus “Laborfleisch“ und hauptsächlich aus pflanzlichen Proteinen. Wann, wie, ob und in welcher Form In Vitro Fleisch für jedermann hierzulande zugänglich und erschwinglich ist und sich durchsetzt, wird die Zukunft zeigen.

Kommentiere