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ERP – mit Effizienz die Umwelt schützen?

Der Klimawandel ist derzeit ein ständiger Begleiter in der internationalen Medienlandschaft. Immer wieder ist die Einhaltung von Klimazielen Thema in der Politik. Eine Möglichkeit dies zu unterstützen beziehungsweise zu bewerkstelligen sind Enterprise-Resource-Planning-Systeme oder kurz ERP. Was das genau ist, wie sie funktionieren und welche Möglichkeiten sich gerade für die Lebensmittelindustrie ergeben, hat sich der Autor etwas genauer angeschaut.

Immer mehr Fabriken wandeln sich im Zuge von Industrie 4.0 zu sogenannten Smart Factories. Die komplette Vernetzung aller Teilbereiche der Produktion und Logistik soll Geschäftsabläufe optimieren und zukünftig auch automatisieren. Eine Grundlage hierfür sind ERP-Systeme. Hierbei handelt es sich um Systeme zur ganzheitlichen Ressourcenplanung einer Unternehmung. Hierbei werden alle Geschäftsprozesse und Ressourcen aus allen Teilbereichen einer Unternehmung über eine gemeinsame Datenbasis miteinander verbunden. Die Software erfasst beispielhaft die Beschaffung, die Produktion und Logistik. Gerade durch die Integration von Finanz- und Rechnungswesen gewinnt die Unternehmung einen besseren Überblick über Kosten und Effizienz. ERP-Systeme haben sich aus der Produktionsplanung heraus entwickelt. Bereits in den 60er-Jahren verwendeten Firmen und Fabriken Lösungen zur Materialbedarfsplanung.

Im Weinbau wird künftig mehr auf Digitalisierung gesetzt. (Foto: Felix Zeiss)
Im Weinbau wird künftig mehr auf Digitalisierung gesetzt. (Foto: Felix Zeiss)

Durch die Integration von immer mehr Geschäftsprozessen und -abläufen entstanden so die ERP-Systeme. Heute berücksichtigt die Datenerfassung sämtliche, auch auf den ersten Blick weit entfernte, Faktoren. Arbeitskräfte finden hier genauso Beachtung wie Maschinen, Rohstoffe oder auch der Energieverbrauch innerhalb des Prozesses oder des Unternehmens. So gibt es heute keine Begrenzung auf industrielle Fertigungsprozesse und die Planungssysteme können völlig unabhängig vom Wirtschaftszweig genutzt werden.

Firmenübergreifende Effizienz 

Die Systeme werden stetig weiterentwickelt. Deshalb arbeiten die sogenannten ERP II-Systeme nicht mehr nur innerhalb eines Unternehmens, sondern lassen auch unternehmensübergreifende Planung zu. So können weitere Variablen beispielsweise entlang der Fertigungskette unter Einbeziehung von Lieferanten und deren Geschäftsabläufen zur Planung herangezogen werden, wodurch sich die Effizienz der gesamten Unternehmung weiter steigert. Dies bildet auch den Trend zu Cloud-Lösungen ab. Daraus ergeben sich Vorteile wie die Integration in bereits bestehende Systeme und die Einbeziehung sowie schnelle Kommunikation mit anderen Geschäftspartnern wie etwa Lieferanten. ERP-Systeme bieten so noch weitere Nutzungsmöglichkeiten. Gerade in der Lebensmittelindustrie besteht ein hohes Sicherheitsbedürfnis seitens der Kunden. Eine vollständige Rückverfolgung ist den Kunden immer wichtiger geworden und ist durch immer wiederkehrende Lebensmittelskandale stets präsent. 

Mögliche Ressourcen entlang von Fertigungsprozessen. (Grafik: Felix Zeiss)
Mögliche Ressourcen entlang von Fertigungsprozessen. (Grafik: Felix Zeiss)

Unterschieden werden die ERP-Systeme vor allem durch den Wirtschaftszweig, also ob Produktion oder Dienstleistung, die Größe des Unternehmens und gerade für die Lebensmittelindustrie besonders wichtig: der Funktionsumfang. Durch die Vielschichtigkeit des Industriezweigs unterscheiden sich die gewünschten Funktionen von Betrieb zu Betrieb immens. So hat ein Milchbauer beispielsweise völlig andere Anforderungen an das ERP-System als eine industrielle Großbäckerei. So benötigt die Bäckerei etwa eine Rezeptverwaltung für die Maschinen und der Milchproduzent eine Überwachung des Gesundheitszustandes seiner Kühe. Gerade in der Lebensmittelbranche ist auch eine ständige Erweiterbarkeit immens wichtig für die Nutzer der ERP-Systeme. Etwa neue Rezepturen oder saisonale Aktionsprodukte fordert eine hohe Flexibilität an die Ressourcenplanung. Neben branchenspezifischen und universellen  Standardlösungen haben sich deshalb auch individuelle Customlösungen etabliert. Diese speziellen Anpassungen können aber eine Integration von anderen Unternehmen wie etwa Lieferanten erschweren oder sogar unterbinden. 

Wirklich ein Vorteil?

Die Nutzung von ERP-Systemen scheint auf den ersten Blick ein enormer Wettbewerbsvorteil zu sein. Jedoch handelt es sich hierbei vielmehr um einen sogenannten Hygienefaktor – zumindest in seiner heutigen Form. Von einem Hygienefaktor wird gesprochen, wenn die Nutzung einer Sache keinen Vorteil aber bei Nichtnutzung einen erheblichen Nachteil bringt. Jedoch wird dieser Vorteil oftmals gar nicht wahrgenommen beziehungsweise als Selbstverständlichkeit betrachtet. Dadurch, dass so gut wie jedes Unternehmen die ERP-Systeme nutzt, ergeben sich also keine Wettbewerbsvorteile mehr. Jedoch wären viele Unternehmen ohne das Ressourcenmonitoring, wie das ERP-Management auch genannt wird, unfähig am Wettbewerb teilzunehmen.

Weniger Emissionen durch ERP

Durch die Erfassung aller unternehmensrelevanten Ressourcen bieten die ERP-Systeme nicht nur die Möglichkeit von Effizienzsteigerungen. Die Sammlung und zentralisierte Verarbeitung aller Daten lässt sich auch hinsichtlich des Umweltschutzes nutzen. Welche Daten einer bestimmten Ressource gesammelt werden soll, lässt sich problemlos individuell anpassen. So ist jedem Prozessschritt, jeder Maschine und jedem Ausgangsstoff die jeweils spezifische Kohlenstoffdioxidbilanz, häufig als CO2-Fußabdruck betitelt, zugeordnet. Hieraus ergeben sich völlig neue Chancen umweltschonender zu arbeiten oder zu produzieren. Sind alle Ausgangsstoffe schon vor Eintreffen in der Fabrik mit einer solchen Bilanz versehen, erhält das Unternehmen so eine genaue Information darüber, wie hoch die tatsächliche Umweltbelastung wirklich ist. Dies ist auch ein Vorteil für das Unternehmen im Bezug auf Emissionssteuer, also die Besteuerung von Kohlenstoffdioxidausstößen.

Mit Kohlenstoffdioxidreduktion durch ERP soll die Natur geschützt werden. (Foto: Felix Zeiss)
Mit Kohlenstoffdioxidreduktion durch ERP soll die Natur geschützt werden. (Foto: Felix Zeiss)

Das Unternehmen Blue Yonder bietet einen weiteren Ansatz zur Reduktion von Ressourcen und Treibhausemissionen. So kombiniert der Softwarespezialist ERP-Systeme, indem er diese mit einer künstlichen Intelligenz beziehungsweise Machine Learning verbindet. Das Unternehmen verspricht durch die Integration der beiden Technologien entlang der Lieferkette ein reaktives Verhalten auf die sich täglich ändernde Marktdynamik. Dadurch soll die Software nicht nur in die Supply-Chain eingreifen, sondern auch mit Anpassungen von Werbemaßnahmen Gewinne optimieren und den Verderb von Lebensmittel reduzieren. 

Mit Daten für die Umwelt 

Als Grundlage dient hier hochentwickelte Sensorik, die in ein paar Jahren auch den Zustand von Frischwaren, die 50 Prozent des Umsatzes von Supermärkten ausmachen, erfassen soll. Die erfassten Daten werden zusammengefasst und so von einer künstliche Intelligenz verarbeitet und bewertet. Dadurch können Lagerbestände und vor allem deren Frische in Ein- und Verkaufsplanungen einbezogen werden. Eine beispielhafte Maßnahme wäre etwa die gezielte Bewerbung eines verderblichen Artikels, dessen Bestand seitens des Supermarktes sehr hoch ist und vermutlich kaputt gehen wird ohne eine explizite Anpreisung der Ware und damit verbundene höhere Absatzzahlen.

Auch in der Landwirtschaft findet Sensorik und ERP Verwendung. (Foto: Felix Zeiss)
Auch in der Landwirtschaft findet Sensorik und ERP Verwendung. (Foto: Felix Zeiss)

Hierbei werden aber nicht nur Frische und Bestand als zu berücksichtigenden Faktor herangezogen. Die Software analysiert noch rund 70 weitere Faktoren. Diese Faktoren können das prognostizierte Wetter oder anstehende Sportveranstaltungen, aber auch das Werbeangebot der Konkurrenz sein. So kann ein Supermarkt auf wesentlich mehr Einflussgrößen reagieren, was ohne Automatisierung von Hand kaum zu bewerkstelligen wäre. Der Hersteller verspricht mit seiner Software einen zunehmend automatisierten Einkaufs- und Werbe-Prozess und das in Verbindung mit Abfallreduktion.

Die Enterprise-Resource-Planning-Systeme sind keine neue Technologie beziehungsweise sind sie eine Weiterentwicklung schon lange genutzter Systeme. Doch genau diese auch heute noch stattfindenden Weiterentwicklungen bieten auf den ersten Blick nicht sichtbare Umweltschutzmöglichkeiten.  Ressourcenschonende Emissions- und Abfallreduktion sind ein weiterer richtiger und vor allem wichtiger Schritt in Richtung Umweltschutz mit dem gleichzeitig höhere Gewinne erzielt werden können.

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