Fotograf: Felix Zeiss
19. Juli 2017
Whiskey-Tasting im Labor – die künstliche Zunge
Automatisierung ist das große Stichwort in der Industrie. Auch die Lebensmittel- und Getränkebranche ist davon betroffen. Immer mehr Berufszweige sehen sich in ihrer Existenz bedroht.
Bestes Beispiel ist der Bäcker, der durch Großbäckereien immer weiter im Preis gedrückt wird. Doch ist wirklich jeder Beruf ersetzbar? Kann ein Sommelier, dessen jahrelanges Training erlaubt feinste Geschmacksnuancen zu unterscheiden, durch eine Maschine beim Whiskey-Tasting ersetzt werden? Dies versucht eine Apparatur der Universität Heidelberg, indem sie die menschliche Zunge imitiert.
Die Zunge aus dem Labor
Das Forscherteam um Uwe Bunz, Chemiker an der Universität Heidelberg, hat eine Methode erfunden Whiskey oder auch andere Getränke in ihre Geschmacksnuancen zu zerlegen. Sie haben sozusagen eine künstliche Zunge entwickelt.Was auf den ersten Blick ein wenig nach Frankenstein klingt, ist in Wahrheit ein nicht allzu kompliziertes, chemisches Verfahren.
Die „Zunge“ ist im Grunde nichts anderes als eine Sensorplatte, die mit etwa zwei Dutzend Molekülen bestückt ist. Jedes dieser Moleküle ist auf eine bestimmte Geschmackskomponente gepolt und leuchtet je nach Intensität dieser Komponente stärker oder schwächer. Somit entsteht ein ganz individuelles Geschmacksprofil. Dieses fungiert ähnlich wie ein Fingerabdruck und ist für jeden Whiskey beziehungsweise jedes Getränk ganz individuell.
Die menschliche Zunge arbeitet prinzipiell ganz ähnlich. Beim Schmecken werden die verschiedenen Geschmacksrezeptoren der Zunge unterschiedlich stark aktiviert. Durch Überlagerungen dieser Wahrnehmungen entsteht ein festes Geschmacksbild, welches die künstliche Zunge mit dem Leuchtprofil nachahmt.
Fingerabdruck der Geschmäcker
Anstoß zur Erfindung gaben Plagiate am Lebensmittelmarkt. Whiskeys und auch andere Spirituosen werden mittlerweile als Wertanlage gesehen und erzielen bei Auktionen astronomische Preise. Die Verlockung ist dadurch groß ein Produkt zu panschen oder gar komplett zu fälschen. Um diesen Plagiaten auf die Spur zu kommen, kann die künstliche Zunge einen Whiskey in einem genauen Profil festhalten, welches je nach Lagerung, Herkunft und natürlich Inhaltsstoffen einmalig ist. Wie der oben erwähnte Fingerabdruck soll es mit den Profilen möglich sein, jedem Whiskey ein einmaliges Profil zuzuordnen und die Fälschungen somit visuell entlarven. Mit einer gewissen Abänderung soll es in Zukunft auch möglich sein gefälschte Parfüms und Medikamente als solche zu erkennen. Es steckt somit noch ein großes Potential in der Erfindung.
Revolutioniert die Zunge den Beruf des Sommeliers?
Die künstliche Zunge ist sicherlich eine Bereicherung, da sie sich nicht täuschen lässt. Nichts desto trotz ist es fraglich ob sie zu mehr tauglich ist als reine Plagiatsprüfung, denn von Kindesalter an prägen sich die geschmacklichen Vorlieben und sind von Person zu Person individuell. Somit kann wohl kaum eine Maschine vorgeben, was nun tatsächlich gut schmecken soll. Wenn es um den reinen Geschmack geht, kann sich durch die Laborzunge lediglich orientiert werden. Sprich wenn eine Person eine große Abneigung gegen rauchige Inhaltsstoffe hat, so kann diese Komponente mittels der Leuchtprofile festgestellt und entsprechende Whiskeys eliminiert werden. Ob der Geschmack einer Person aber tatsächlich getroffen wird, kann keine Maschine feststellen.
Häufig sprechen Sommelier selbst davon, dass ihre Tätigkeit eine Berufung ist. Nicht jeder Mensch kann Geschmäcker so fein differenzieren wie sie und auch nach jahrelangem Geschmackstraining hat ein Sommelier noch nicht ausgelernt. Auch ist es fraglich ob man künftig ein Tasting wirklich von einer Maschine erledigen lassen möchte. Eine individuelle Beratung durch einen fachkundigen Sommelier hat schließlich auch seinen gewissen Flair. Ein richtiges Testing sollte demnach auch weiterhin auf persönlicher Ebene stattfinden.
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