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Industrie 4.0: So läuft die Finanzierung

Industrie 4.0 ist ein Thema, das viele als Überbegriff für Vernetzung und Digitalisierung sehen. Viele Firmen möchten oder sind dabei in die vierte technische Revolution zu investieren. Auch auf der SPS IPC Drives 2016 in Nürnberg war Industrie 4.0 wieder ein Thema, dass viele Firmen nutzten, um den Besuchern zu zeigen: Wir denken weiter. Wir investieren in die Zukunft. Doch neben all dieser Euphorie bleibt das Thema der Finanzierung meist auf der Strecke. Wer in Industrie 4.0 investieren will braucht vor allem zwei Dinge: Einen guten Plan und Geld.

Max, ein Limonadenhersteller mit neuen Plänen

Doch beginnen wir erstmal mit der fiktiven Person Max. Max ist Chef eines mittelständischen Unternehmens, dass seine eigene Limonade direkt in den Getränkemärkten vor Ort verkauft. Beim Herstellungsprozess wird zuerst die Limonade in verschiedenen Geschmacksrichtungen hergestellt. Diese wird dann in Glasflaschen abgefüllt. Jede Flasche durchläuft dabei den selben Prozess: Zuerst wird die Limonade abgefüllt, dann etikettiert und verschlossen, und schließlich Kistenweise in LKWs verladen. Die LKWs bringen die Limonade dann zu den einzelnen Läden in der Region.

Max weiß, dass es in seiner Region noch vier andere Limonadenhersteller gibt. Die Konkurrenz ist dementsprechend hoch. Außerdem hat Max von Industrie 4.0 gehört und würde seine gesamte Anlage gerne digitalisieren und vernetzen. Um sich von seinen Konkurrenten abzuheben hat sich Max ein neues Konzept überlegt: Max würde gerne online den Service anbieten, dass sich jeder Kunde seine eigene Limonadenmischung mit einem individuellen Etikett zusammenstellen kann. Diese neue Mischung würde dann direkt in der Produktion umgesetzt werden. Idealerweise würde es sogar möglich sein, dass der Kunde nur eine Flasche bestellt. Allerdings ist sich Max unsicher, ob er überhaupt investieren soll, denn mit diesem neuen Konzept bräuchte er vermutlich auch eine neue Anlage, die sehr teuer ist.

Unternehmen, die heute über mehr Nachdenken müssen als nur über Geld

Nicht nur das Unternehmen von Max möchte im Bereich Industrie 4.0 aufrüsten, auch viele andere Firmen haben das bereits getan oder sind dabei. Da die Digitalisierung und Vernetzung von Mensch und Maschine teuer ist, ist die Finanzierung in diesen Tagen ein wichtiges Thema. „Als erstes sollte ein Unternehmen darin investieren, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wichtig ist dabei vor allem, dass sich das Unternehmen die Frage stellt, was es mit einer neuen Investition überhaupt erreichen will.“ Björn Six wies, als Zuständiger bei Weidmüller für Industrie 4.0 Fragen, auf kleine einzelne Bereiche hin in die man investieren solle, denn am Beispiel könne man am besten Lernen. So ließe sich dann daraus eine klare Idee ableiten in welche Richtung man am besten gehen könne.

„Bevor ich überhaupt etwas tue, brauche ich Transparenz und einen guten Plan.“ Peter Welp, Senior Manager im Bereich Finance & Leasing bei Siemens, empfahl sich ein gutes Konzept zu Überlegen und genau zu definieren wo man hinwolle. Die letzten drei technischen Revolutionen, Mechanik, Elektrifizierung und Automatisierung sind heute etabliert. „Was die vierte Revolution ausmacht und was die meisten so noch nicht verstanden haben ist folgende Tatsache: Plötzlich wird jedes Gerät, jeder Mensch rund um den Globus 365 Tage, 24 Stunden miteinander vernetzt. Vernetzt um zu kommunizieren. Das heißt wir kommen in eine völlig andere Situation. In dieser vernetzten Welt braucht man Werte, Pläne, Respekt, Wertschätzung und eine komplett neue Art der Fehlerkultur. Denn wir sind dann in einem Zustand, in dem wir etwas ausprobieren wollen und müssen.“

Finanzierung, die den gesamten Prozess betrachtet

Welp wies darauf hin, dass es vermessen wäre einem Unternehmen zu sagen, es müsse da oder dort anfangen. Denn das Schlimmste was dann passieren könne wäre, dass das Unternehmen in eine wunderbare neue Maschine investiert. Diese Maschine wäre in der Lage doppelten Output zu bringen und hocheffizient. Allerdings ist die gesamte Prozesskette von der Materialbeschaffung bis zum Verkauf nicht auf eine solch hohe Produktionszahl ausgelegt und der Unternehmer könne seine Investition nicht mehr rückgängig machen.

Am Beispiel vom Limonadenhersteller Max hieße das, Max würde in eine neue effizientere Anlage investieren, die am Tag die doppelte Menge an Flaschen produzieren könnte. Allerdings könnte diese Limonade nicht verkauft werden, da das Unternehmen nicht genügend LKWs zur Verfügung hat und die Getränkemärkte nicht so viel von Max Limonade verkaufen wollen. Das wäre dann ein Problem, denn Max könnte das investierte Geld nicht mehr zurückholen. Und als kleineres mittelständisches Unternehmen würden Max die finanziellen Rücklagen fehlen, um unbeschadet aus diesem Fehler wieder rauszugehen.

Anlagen, die Stück für Stück auseinandergenommen werden um sie neu zusammenzusetzen

Bevor man überhaupt eine neue Investition mache, bräuchte es zuallererst ein vier/sechs/acht Augengespräch indem man erkenne, dass der Unternehmer offen sei für einen Veränderungsprozess. „Es ist wichtig, dass der Unternehmer nicht nur A sagt, sondern auch B und C sagen würde. Der Unternehmer muss bereit sein, Transparenz und Offenheit zu schaffen.“, sagte Welp. „In dem gesamten Prozess ist es dann so, ich muss alle kaufmännischen Parameter mit allen technischen Parametern auf einen Tisch legen. Dann muss das einzelne Unternehmen, diese Dinge miteinander abgleichen. Dabei ist offene Kommunikation, Respekt und Wertschätzung sehr wichtig. Am Ende muss schließlich Geld im Portmonee des Unternehmers ankommen. Deswegen muss ich zuerst die Ursache und Wirkung sauber analysieren. Und erst, wenn ich das alles gemacht habe, dann kann ich mir überlegen, wo muss das Unternehmen eigentlich anfangen.“

Es ist wichtig, dass sich Max überlegt wo er gerade steht. Welche Kapazitäten sein Unternehmen zurzeit hat. Welche Anzahl an Limonadenflaschen kann er zurzeit pro Tag herstellen? Wie viele Mitarbeiter hat Max zur Verfügung? Wann werden Zutaten für die einzelnen Limonadensorten nachgeliefert? Hat das Unternehmen eine gute Kommunikation nach außen? Wissen die Kunden überhaupt, dass Max Unternehmen existiert? Dann muss sich Max entscheiden, wo er hinmöchte. Soll das Unternehmen regional bleiben? Wie soll die individuelle Produktion von Limonade technisch ablaufen? Diese und viele weitere Fakten muss Max zuerst betrachten. Erst wenn sein Ziel klar feststeht und Max weiß was eine solche Veränderung bedeutet, dann kann er darüber nachdenken, wie diese Dinge finanziert werden sollen. „Und die Finanzierungsmodelle sind schließlich noch so wie vor 50 Jahren.“, sagte Welp.

Über den Autor

Leonie Leistner

Leonie Leistner

Ich bin seit Oktober 2015 Redakteurin hier. Es macht mir sehr viel Spaß eigene Berichte zu schreiben und zu veröffentlichen. Ich möchte mit den Themen meiner Artikel die Leser zum Nachdenken anregen. Ob technische Themen, Getränke oder Lebensmittel: Ich finde die Herausforderungen die dieser Blog mit sich bringt sehr spannend und freue mich auf neue Erfahrungen.

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