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Was ist „Hygienic Design“?

Was der Mensch trinkt, darf ihn nicht krank machen. Die Hygienestandards in der Getränkebranche sind deshalb hoch. Doch wie muss eine Abfüllanlage beschaffen sein, damit sich dort keine Keime einnisten?

Es war der Skandal des Jahres 2013 – der Pferdefleischskandal. Über ganz Europa hinweg wurde in Lebensmitteln Pferdefleisch entdeckt, das als Rindfleisch deklariert worden war. Besonders betroffen waren Fertigprodukte wie Lasagne, Gulasch und Bolognesesoße. Aber auch in einigen Berliner Dönerständen fand sich Pferdefleisch. Das Vertrauen der Konsumenten war erschüttert.

Die Lebensmittel- und Getränkeherstellung ist ein sensibler Bereich. Nicht nur Skandale und hohe Strafen drohen, auch die Gesundheit der Konsumenten hängt daran, dass Qualitätssicherung betrieben und auf Hygiene geachtet wird.

Vom Design hängt es ab

Wie gut sich eine Anlage später reinigen lässt, darüber entscheidet oft schon das Design. Gibt es Fugen, Ritzen oder Löcher, in denen sich Schmutz festsetzen kann? Vertragen alle Flächen die Reinigung mit Wasser oder aggressiven Reinigungsmitteln? Kann eine Kühlflüssigkeit auslaufen und auf das Fließband tropfen? Das Schlagwort „Hygienic Design“ ist ein Sammelbegriff für die Bemühungen der Designer, eine möglichst hygienische Produktion zu gestalten.

„Die Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied“, sagt René Kopp vom Pumpenhersteller KSB. „Wenn unsere Pumpe ein Oberflächenfinish von 0,5 Mikrometern hat, also sehr glatt ist, die Rohrleitung aber aus dem Jahr 1936 stammt, ist das natürlich unsinnig.“

Für Getränkeabfüllanlagen gibt es gewisse Auflagen, die für eine ausreichende Hygiene sorgen sollen. Diese sind von Land zu Land unterschiedlich. „Ich würde sagen, dass wir hier in Mitteleuropa die weltweit strengsten Auflagen haben“, meint Kopp.

Zu den gesetzlichen Grundlagen des „Hygienic Designs“ zählt die DIN EN ISO 14159 mit Hygieneanforderungen an die Gestaltung von Maschinen und das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), speziell dessen 9. Verordnung, die sogenannte Maschinenverordnung. Sie stellt Anforderungen in Bezug auf die Reinigbarkeit von Flächen und Materialien und auf die Ableitung von Flüssigkeiten.

Toträume vermeiden

„Es ist ganz wichtig, dass keine Toträume entstehen“, sagt Kopp. Toträume sind Bereiche, in die Flüssigkeiten zwar hineinkönnen, aber nur teilweise oder gar nicht mehr hinaus. Das können schwer zugängliche Ritzen sein, aber auch schlecht konstruierte Rohre, in denen ein Teil der Flüssigkeit stehen bleibt. Man kann sich das wie bei einem Fluss vorstellen: Die Strömung ist nicht überall gleich stark. Wenn der Fluss eine Biegung nach rechts macht, ist die Strömung am linken Ufer stärker, am rechten Ufer fließt das Wasser viel langsamer. Ist zusätzlich ein Hindernis vorhanden, kommt ein Teil des Wassers zum Stehen. Passiert das in einem Getränkerohr und steht die Flüssigkeit länger, ist das ein ernsthaftes Hygieneproblem.

„Eine komplette Totraumfreiheit gibt es leider nicht“, sagt Kropp. Wichtig sei es aber, möglichst viele Toträume zu vermeiden.

Eine selbstreinigende Anlage

Wer eine hygienische Anlage sein Eigen nennen will, kommt man um eine Sache nicht herum: Putzen. Der Trend geht hin zu „Cleaning-In-Place“ oder zur „selbstreinigenden Anlage“, wie es Jens Hoffmann nennt, der Konstruktionsleiter von Boos. Cleaning-In-Place, auf Deutsch ortsgebundene Reinigung, funktioniert ohne Demontage von Einzelteilen. Dabei werden die Bereiche gesäubert, die mit dem Produkt in Berührung kommen. Also das Innere von Rohren, Tanks und Pumpen. „Das geht heute per Knopfdruck und spart Zeit und Kosten“, erklärt Hoffmann. Wasser und Reinigungsmittel laufen abwechselnd durch das System, gesteuert von einem aufwändigen Programm. Auch hier stören wieder Toträume, in denen Reinigungsmittel verbleiben.

Hoffmann vermutet, dass das Thema Hygiene und damit auch Hygienic Design in Zukunft immer wichtiger wird. Der Grund: Immer mehr Nahrungsmitteln entstehen in Großproduktion. Wenn eine Produktionslinie verkeimt, dann sind gleich zigtausend Produkte betroffen, viele Menschen werden krank. „Dann ist der Skandal eventuell so groß, dass die Firma gleich dichtmachen kann.“

von Simone Danne

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