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Kraftsport war nie leichter

Herz-Kreislauf-Erkrankungen treffen sehr viele Menschen in Deutschland und belasten die Volkswirtschaft enorm. Ein gesunder Lebensstil kann helfen, dem vorzubeugen. Ein Teil dieses Lebensstils ist die Bewegung. Dass Ausdauersport gesund ist, ist weitgehend bekannt. Doch auch Kraftsport und gezielter Muskelaufbau tragen zu einem gesunden Leben und einem verringerten Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, bei. Um Krafttraining für Amateure zugänglicher zu machen und Fehler bei der Ausführung der Übungen zu verhindern, bieten sich adaptive Fitnessgeräte und smarte Anwendungen an, die den Nutzer unterstützen.

Ein Gastbeitrag von Ralph Ebnet

Christof Jordan beißt die Zähne zusammen, Schweißperlen tropfen von seiner Stirn. Seine Hände umklammern die Eisenstange auf seiner Brust, die mit Gewichten insgesamt 60 Kilogramm wiegt. Er atmet nochmal tief durch, sammelt seine letzten Kraftreserven, dann stemmt er die Langhantel hoch und wuchtet sie in die dafür vorgesehene Halterung. Heute war ein gutes Set, er hat die angesetzten Wiederholungen geschafft und ist zufrieden mit seiner Leistung. Der 37-Jährige hat vor zwei Jahren mit Kraftsport angefangen, kurz nachdem sein Vater einen Herzinfarkt erlitten hatte. „Er hat zwar überlebt, aber das war schon erschreckend”, sagt Jordan. „Die Ärztin meinte zu mir, sowas sei vererbbar, da habe ich schon ein bisschen Angst bekommen.” Alleine in Deutschland starben 2022 laut Angaben des statistischen Bundesamts rund 46.000 Menschen an einem Herzinfarkt. Insgesamt sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die führende Todesursache in Deutschland. Die Nationale Herz-Allianz (NHA), ein Zusammenschluss mehrerer medizinischer Fachgesellschaften, veröffentlichte 2023 eine Studie, die ergab, dass rund ein Drittel der Todesfälle im Jahr 2020 auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen waren, insgesamt wurden zwei Millionen Menschen wegen Herz- und Kreislaufbeschwerden in Krankenhäuser eingewiesen. Dementsprechend hoch sind auch die wirtschaftlichen Kosten. Herz-Kreislaufprobleme verursachten laut statistischem Bundesamt 2020 über 56 Milliarden Euro Kosten im deutschen Gesundheitssystem. Das sind 13,1 % der gesamten Krankheitskosten und damit einer der größten Posten in diesem Bereich. Wichtige Risikofaktoren sind andere Krankheiten und Verhaltensweisen wie Rauchen und ungesunde Ernährung. Außerdem spielt die Genetik eine wichtige Rolle, insgesamt haben Forschende bereits über 250 Genorte, also die Position eines Gens im Genom, entdeckt, die mit einem erhöhten Risiko von koronaren Herzerkrankungen in Verbindung stehen. Das Robert Koch-Institut nennt außerdem Inaktivität als Risikofaktor. Sport, insbesondere auch Kraftsport, ist ein wirksames Mittel gegen einen frühen Herztod. Studien zeigen, dass bereits 60 bis 150 Minuten Kraftsport pro Woche das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um bis zu 25 Prozent senken können.

Alles eine Frage der Motivation

Montag ist eigentlich Sporttag für Jordan, aber statt auf der Hantelbank sitzt er heute auf dem Sofa. Sein Tag war anstrengend, das Telefon in der Arbeit klingelte durchgehend. Er kann sich einfach nicht aufraffen, heute die Gewichte in die Hand zu nehmen. „Ich bin einfach platt, klar, ich weiß, ich sollte was machen, aber heute gewinnt das Sofa”, erläutert Jordan seine fehlende Motivation. Juliane Mackenbrock weiß, wie schwer es sein kann, sich aufzuraffen. Sie ist Gesundheits- und Sportwissenschaftlerin an der Deutschen Sporthochschule Köln, ihr Fokus liegt in der Motivationspsychologie, insbesondere interessiert die Doktorandin sich für die Frage, wie der Einsatz digitaler Medien zum Sport motivieren kann. Die Forschung unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Arten der Motivation, intrinsischer und extrinsischer. „Intrinsisch bedeutet, dass wir die Tätigkeit um ihrer selbst Willen ausführen, dass wir also Spaß dabei haben”, erklärt Mackenbrock. Weil es bei der intrinsischen Motivation vor allem um Spaß an der Tätigkeit gehe, sei sie die wirksamste Art der Motivation, fügt die Wissenschaftlerin hinzu. Aber auch extrinsische Motivation, wie bei Jordan, kann wirksam sein. Prinzipiell sei es nicht schlimm, mal einen Trainingstag ausfallen zu lassen, insbesondere nach einem langen Tag könne das passieren. Sie weiß: „Wenn ich nach einem langen Tag noch zwei Stunden Sport auf dem Programm stehen habe, kann es sein, dass ich von vornherein negativ eingestellt bin. In dem Fall empfehle ich, einfach eine kürzere Einheit zu machen, dann habe ich noch etwas vom Abend und mich aber trotzdem bewegt.” Neben überschaubaren Einheiten nennt ein Forscherteam der Universität des Nahen Ostens in Nordzypern Gamification als geeignetes Mittel, um gerade im Sportbereich wirksame Anreize zur Motivation zu setzen.

Normen Schmidt präsentiert den Digital Floor in seinem Studio. Credits: Ralph Ebnet

Die positiven Aspekte der Gamification erlebt Normen Schmidt jeden Tag hautnah.Der 45-Jährige hat viel Sport in seinem Leben ausprobiert, bis er im Fitnesssport seine Leidenschaft gefunden hat. Nach 17 Jahren als Kommunikationselektroniker hat er zusammen mit seiner Frau ein Fitnessstudio in Bamberg gegründet und hat seine Entscheidung nie bereut. Zwischen Hantelbänken, Beinpressen, Fahrradergometern und weiteren Geräten läuft er auf die Fläche mit seinen neuesten Errungenschaften zu, grüßt dabei seine Kund:innen, die er fast alle mit Namen kennt. In seinem Studio bietet er seit der Corona-Pandemie auch smarte Fitnessgeräte an, die auf reges Interesse stoßen. „Gerade bei älteren Menschen kommen die Geräte sehr gut an”, sagt Schmidt. Im Gegensatz zu klassischen Geräten müssen die Nutzer:innen bei der smarten Variante keine Gewichte per Hand anpassen. Die Maschinen passen den Widerstand dynamisch an die Maximalkraft und die Tagesform der Sportler:innen an. Bei seinen Geräten kommen außerdem viele Messdaten zum Einsatz. „Das geht damit los, dass wir am Anfang erstmal das biologische Alter und das sportliche Alter feststellen, also zu welcher Altersgruppe eine Person ihrer Leistung nach gehört und das grafisch darstellen.” Die Maschinen speichern den erzielten Fortschritt, indem an jedem sechsten Trainingstag die Werte neu ermittelt werden. „Dadurch sehen viele Menschen sich hier aktiv jünger werden, etwa wenn ihr Stoffwechsel, Maximalkraft oder Ausdauer besser werden als der Durchschnitt bei ihren Altersgenossen”, erklärt Schmidt. Auf diese Art wird der eigene Fortschritt messbar, was bei der Formulierung und Überprüfung von Zielen hilfreich sein kann.

„Für die beste Motivation setzen wir uns konkrete Ziele, die wir realistisch betrachtet erreichen und messen können. Zusätzlich lohnt es sich, ein konkretes Datum zu nennen, bis wann wir das Ziel oder Zwischenziele erreichen wollen”, sagt Motivationsexpertin Mackenbrock. Schmidts Geräte zeigen bei jeder Benutzung die derzeitigen Werte an, was die Überprüfung von Zielen vereinfacht. Neben dieser Funktion sind auch die Trainingseinheiten selbst mit Gamification-Elementen versehen. Bei der Schulterpresse können sich die Nutzer:innen etwa eine Spielfigur anzeigen lassen, die sich nach oben oder unten bewegt hat, je nachdem, welche Bewegung die Sportler:innen ausführen. Ziel ist es, möglichst viele Münzen einzusammeln.

Normen Schmidt präsentiert den Digital Floor in seinem Studio. Credits: Ralph Ebnet

„Die Münzen sind in einer Sinuskurve angeordnet, dadurch wird gewährleistet, dass die Nutzer die Bewegungen richtig und in der perfekten Geschwindigkeit ausführen, wenn sie alle sammeln wollen”, erläutert Schmidt das Konzept. Die Wirksamkeit solcher Gerätschaften im Vergleich zu klassischen Trainingsmethoden ist wissenschaftlich noch nicht ausreichend untersucht. Schmidt sieht in seinem Studio aber genug Praxisbeispiele, dass für ihn kein Zweifel besteht: „Einer meiner Kunden ist 60 Jahre alt und seit der an den smarten Geräten trainiert, hat er einen Körperfettanteil von unter zwölf Prozent erreicht, das hat er vorher im freien Training nicht geschafft. Dem hat das so geholfen, dass die Geräte sich automatisch an seine Leistung anpassen, dass er viel länger trainieren konnte und dadurch wieder richtig fit geworden ist”, führt er aus.

Muskeln motivieren

Nach Schmidts Erfahrung ist das kein Einzelfall. Er bekommt oft zu hören, dass der Muskelaufbau mit den neuen Geräten viel leichter sei als vorher. Damit können die Geräte gerade für junge Menschen einen weiteren wichtigen Motivationsfaktor liefern: leichter das gewünschte Aussehen erreichen. Tim Bindel ist Professor für Sportpädagogik und Sportdidaktik an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Schwerpunkte des 47-Jährigen sind unter anderem Jugendsport und Sport in sozialer Verantwortung, vor allem mit Blick auf Soziale Arbeit und Schule. Er beobachtet, dass Kraftsport und der eigene Körper bei Jugendlichen zu einem Statussymbol geworden sind. „Der Körper wird zu einer Projektionsfläche des Erfolgs, das zeigt sich auch an Trends wie Tattoos. Heutzutage geht es weniger um Haus und Auto als Statussymbol, stattdessen zeigt der eigene Körper, wer man ist.” Insofern ist es überraschend, dass smarte Geräte bei Menschen unter 30 noch wenig Anklang finden, obwohl sie den Muskelaufbau gut unterstützen können. Bindel weiß, dass sich Trends im Kraftsport vor allem in den sozialen Medien entwickeln. „ Im Bereich Fitness zeigt sich die Macht und der Einfluss der sozialen Medien enorm. Der Aufbau von Muskeln kann eine Bestätigung sein, wichtig sind aber auch die Peers, also andere Jugendliche und Vorbilder”, erklärt der Sportpädagoge. Auf Social Media teilen die Jugendlichen ihren Fortschritt und bringen sich so gegenseitig zum Kraftsport. Die Vorteile der smarten Geräte sind bei den Jugendlichen noch nicht angekommen. „Die jungen Leute wollen eher die klassischen Übungen machen, weil das genau die Übungen sind, die ihre Vorbilder auf Instagram zeigen”, sagt Fitnesstrainer Schmidt. Noch fehlten die Influencer:innen, die Werbung für smarte Geräte machen. Er selbst will das Thema bewerben, jedoch ohne falsche Versprechungen zu wecken oder den Fokus zu stark auf Muskelaufbau zu setzen. Von den Methoden und falschen Versprechungen vieler Influencer:innen hält er nicht viel, insbesondere den Wahn um Nahrungsergänzungsmittel sieht er kritisch.

Wie wichtig es ist, dass Jugendliche beim Thema Fitnesssport nicht in die Fänge der Industrie geraten, weiß auch Sportwissenschaftler Bindel. „Das Allerwichtigste ist es, den Jugendlichen die nötigen Kompetenzen zu vermitteln. Wie funktionieren Proteine, was bewirkt Hanteltraining, wie baue ich Muskeln auf”, sagt er. Die Fitness-Szene habe sich aber zu einer globalen Massenkultur entwickelt, in der viel ökonomisches Potenzial stecke, besonders im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel. „Als Pädagoge sehe ich einfach die Gefahr, dass Kinder zu Kunden werden und ihr Körper das Produkt ist”, gibt Bindel zu bedenken. Schmidt stimmt ihm zu, er und sein Team stehen Jugendlichen deswegen mit Ratschlägen zur Seite, sofern diese das Angebot annehmen. „Gerade jüngere Menschen kommen oft mit Trainingsplänen ihrer Lieblingsinfluencer und machen diese stur nach, auch wenn das Programm für sie eher ungeeignet ist”, führt der Trainer aus. Oft sehe er auch, dass Übungen, die von Social Media kopiert werden, falsch ausgeführt werden oder komplett unsinnig sind. Seiner Erfahrung nach erfänden viele Influencer:innen Übungen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Eine Entwicklung, über die er nur den Kopf schütteln kann. „Im Endeffekt sind immer noch die Übungen, die bereits Arnold gemacht hat, auch die Übungen, die Erfolg bringen”, erklärt er. Sein Team und er geben deswegen immer Hilfestellung, wenn diese akzeptiert wird. Der Großteil der Kund:innen nehme die Angebote des Teams dankend an, Schmidt schätzt, dass etwa zehn Prozent seiner Kundschaft Fitness als Lifestyle betreibe, der Rest käme vor allem wegen den gesundheitlichen Vorteilen. Er freut sich über alle Kunden, egal ob jung oder alt, und betont, dass es nie zu spät sei, mit Sport anzufangen, insbesondere im Hinblick auf die Gesundheit.

Das bestätigen auch die Zahlen der Deutschen Herzstiftung. Ab dem 45. Lebensjahr steigt die Chance, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erleiden, signifikant an. Deswegen ist ausreichend Bewegung in jedem Lebensalter wichtig, aber aktuell erreichen noch zu wenig Menschen die von der WHO empfohlenen 150 Minuten pro Woche.

Es war wieder ein langer Arbeitstag, eigentlich wollte Christof Jordan sich auf seinem Sofa ausruhen. Aber er will möglichst lange gesund bleiben und hat sich deswegen für eine kürzere Trainingssession entschieden. Schwitzend hebt und senkt er seine Arme im Rhythmus, den das Gerät ihm vorgibt, um alle Münzen einzusammeln. Eine Wiederholung noch, dann hat er es geschafft. Trotz der Erschöpfung lächelt er: „Das macht schon Bock, obwohl es im Grunde genommen ein simples Spiel ist. Aber es motiviert schon zusätzlich, beim nächsten Mal erwische ich bestimmt noch mehr Münzen.”

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