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Kaffeesatz – mehr als Biomüll

Jeder Deutsche trinkt jährlich circa 160 Liter Kaffee. Doch bei Vielen landet der Kaffeesatz nach dem Brühen im Biomüll. Julian Lechner und Tanya Kliewe-Meyer wollen das mit ihren Unternehmen ändern.

Ein Gastbeitrag von Svenja König

74 Gramm – Das scheint auf den ersten Blick nicht viel zu sein. Ist es aber, denn so viel CO2 stößt eine Tasse Kaffee (125 ml) im Laufe ihres Lebenszyklus aus. Laut dem deutschen Kaffeeverband trinkt jeder Deutsche circa 160 Liter Kaffee pro Jahr. Das heißt, pro Person und Jahr werden ausschließlich durch Kaffeekonsum 94 kg Kohlenstoffdioxid (CO2) emittiert. 74 Gramm – auf einmal ganz schön viel.

Kaffeetasse
Zwischen Bohne und Kaffeesatz: die Tasse des Unternehmens Kaffeeform. Foto. Pascal Schöpf

Das schließt die Produktion vom Kaffee auf Plantagen, den Stromverbrauch unserer Kaffeemaschine und die Abholung des Biomülls durch die örtlichen Stadtwerke ein. Denn da landet der Kaffeesatz meistens – im Biomüll. Julian Lechner möchte das ändern, deshalb gründete er 2015 sein Unternehmen Kaffeeform. Die Idee: sie verarbeiten Kaffeesatz, der bereits zum Kaffeekochen genutzt wurde zu neuen Produkten weiter, so landet er nicht im Biomüll, sondern gelangt wieder in den Produktkreislauf. Aber woher kommt der Kaffeesatz eigentlich?

„Wir sammeln täglich Kaffeesatz frisch aus den Berliner Cafés.“

„Der wird dort mit einer Flotte von Fahrradkurieren abgeholt und in einer sozialen Werkstatt gesammelt. In der Werkstatt wird er noch am gleichen Tag getrocknet, damit er nicht schimmelt“, erklärt Lechner. Getrocknet kann der Kaffeesatz dann längere Zeiten gelagert werden, bis das Kaffeeform Team zwei- oder dreimal im Jahr daraus Granulat herstellt. Dafür hat sich Kaffeeform einen Partner gesucht. „Der hat schon entsprechend große Maschinen und kann unser Rezept bei sich reproduzieren“, erzählt der Unternehmer. Dem Kaffeesatz setzt man bei der Produktion Holzspäne, Glukose und pflanzliches Polymer zu. Lechner weiter: „Daraus entstehen dann erbsengroße Kugeln, die nach Kaffee riechen und sich unter Druck und Hitze beliebig zu neuen Formen einschmelzen lassen.“

recycled coffe
Die Detail verraten es: diese Tasse besteht aus recyceltem Kaffeesatz. Foto: Pascal Schöpf

Lechners Idee ist, dass Kaffeetrinker den Kaffeesatz noch einmal nutzen. Deshalb stellt das Berliner Unternehmen aus dem Granulat Kaffeetassen her. Das Material habe einen Eigengeruch, sagt er, so komme man schon vor der ersten Tasse in Stimmung. Materialtechnisch könne der Kaffeebecher aus weiterverwendetem Kaffeesatz mit Porzellantassen mithalten. Sie sind leichter, können auch leichte Stürze aushalten und sind vor allem genauso hitzebeständig wie gewöhnliche Kaffeetassen aus Porzellan.

Kaffeesatz wird zu T-Shirts

Kaffeesatz kann aber nicht nur als Granulat und somit Kunststoffersatz weiterverwendet werden, sondern gemeinsam mit Baumwolle zu Garn verwebt werden. Dabei ist der Herstellungsprozess dem von Polyester sehr ähnlich. „Der Kaffeesatz wird noch einmal zerkleinert und verflüssigt“, erklärt Tanya Kliewe-Meyer, Gründerin des nachhaltigem Modelabels ‚Like A Bird‘ im Gespräch mit dieser Redaktion. Like A Bird verkauft T-Shirts, die aus 40% Kaffeekarbon – also verflüssigtem Kaffeesatz – hergestellt werden.

Mit einigen Zusätzen könne der Kaffeesatz gemeinsam mit Baumwolle zu einer Faser weiterverarbeitet werden, so Kliewe-Meyer. Die Baumwollfaser gibt dem Kaffeesatz die notwendige Festigkeit und Haltbarkeit. Im Gegensatz zu den Kaffeetassen von Kaffeeform riechen die T-Shirts selbst nicht nach Kaffee, übernehmen aber zum Beispiel die deodorisierende Wirkung des Kaffeesatzes – es bleibt also auch nach längerem Tragen im Sommer geruchsneutral.

Konsumenten entscheiden über den Erfolg

Der Preis ist dabei ausschlaggebend. „Wenn das T-Shirt 29 Euro kosten würde, würde es wahrscheinlich besser laufen, aber das ist aufgrund der Struktur im Herstellungsprozess nicht möglich“, sagt die Gründerin aus Nordrhein-Westfalen. Aktuell liegt das Shirt bei einem Verkaufspreis von 80 Euro. Das schlägt sich auch in den Verkaufszahlen nieder. Derzeit mache das Kaffeeshirt im Vergleich zu den anderen Produkten des Labels nur circa fünf Prozent aus.

Wir fordern alle immer mehr Nachhaltigkeit, aber keiner ist bereit den Preis zu zahlen.”

Tanja Kliewe-Meyer

„Andererseits wird der Preis für Hugo Boss und andere Marken auch bezahlt, warum dann nicht für eine nachhaltige Alternative? Aber einen Tod muss man eben sterben”, meint Kliewe-Meyer. Man könne den Preis allerdings noch weiter reduzieren, wenn man die Shirts zu einem Massenprodukt machen würde.

Die Kaffeebecher von Kaffeeform liegen preislich ähnlich wie herkömmlichen Produkte. Dadurch nehmen Konsumenten die Becher besser an, sodass das Unternehmen jetzt in die Entwicklung weiterer Produkte gehen kann. Um auch die Zielgruppe der Nicht- Kaffeetrinker zu erreichen, will Lechner in den Möbelbereich und den Campingbedarf investieren. Dass dafür der Kaffeesatz aus den Berliner Cafés nicht ausreichen wird ist sich Lechner bewusst: „Zukünftig können wir uns vorstellen mit Bürogebäuden zusammenzuarbeiten, wo viele Menschen arbeiten und viel Kaffee getrunken wird und dort den Kaffeesatz zu sammeln. Außerdem haben wir mit Firmen gesprochen, die Instantkaffee herstellen. Denn bei der Produktion fallen viele Kaffeereste an. Und wir könnten uns auch vorstellen beim Recyclingprozess von Kaffeekapseln mitzuwirken und den Kaffee abzunehmen.“

Mit völlig unterschiedlichen Produkten verfolgen Kliewe-Meyer und Lechner das gleiche Ziel: Sie wollen Kaffee zu mehr als einem schwarzen Pulver machen, das nach dem Kaffeegenuss im Müll landet, sondern in ihm einen weiteren Mehrwert entdecken. Und auch zu Hause können wir diese Vision verfolgen und Kaffee beispielsweise als Pflanzendünger und Gesichtspeeling verwenden.

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