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24. November 2025
Der Ernährungscheck: Warum Pulverprodukte kein Ersatz für echte Lebensmittel sind
Alexander Römer ist ein zertifizierter Ernährungsberater (DGE) mit Sitz in Nürnberg. Er hat einen Bachelor- und Masterabschluss in Ernährungsökonomie sowie Ernährungs- und Hauswirtschaftswissenschaften. Während seiner beruflichen Laufbahn sammelte er Erfahrungen in verschiedenen Bereichen, unter anderem in der Lebensmittelindustrie, Systemgastronomie und in der Beratung von Personen mit Essstörung. Seit 2023 arbeitet er als selbstständiger Ernährungsberater und bietet dabei individuelle Ernährungsberatung und -therapie, betriebliche Gesundheitsförderung sowie Referenten- und Dozententätigkeiten an. Er möchte Menschen helfen, ihre Ernährung ausgewogen zu gestalten und ihr Wohlbefinden zu fördern. Im Gespräch mit befootec gibt Alexander Römer wertvolle Einblicke, welche Elemente für eine gesunde Ernährung essenziell sind und erklärt welche Rolle Pulverprodukte dabei spielen.
Interview von Madeleine Wandelt

Madeleine Wandelt: Herr Römer, was sind denn aus Ihrer Sicht grundlegende Prinzipien einer ausgewogenen und gesunden Ernährung?
Alexander Römer: Eine ausgewogene Ernährung basiert auf ein paar einfachen Grundsätzen: Ausreichend trinken, anderthalb Liter, möglichst Wasser, idealerweise Kalorien frei. Wenig Alkohol oder gar kein Alkohol. Auch ein hoher Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln ist essenziell. Obst und Gemüse gehören täglich auf den Teller – sowohl roh als auch zubereitet. Getreideprodukte sind eine gute Energiequelle, wobei Vollkorn bevorzugt werden sollte, da mehr Ballaststoffe und Nährstoffe enthalten sind. Generell gilt: Viel Pflanzliches, wenig Tierisches.
Madeleine Wandelt: Sie haben betont, wie wichtig frische und unverarbeitete Lebensmittel für eine gesunde Ernährung sind. Gleichzeitig wächst der Trend zu schnellen, fertigen Lebensmitteln –
insbesondere Pulverprodukte werden immer populärer. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
Alexander Römer: Der Markt für Pulverprodukte hat sich in den letzten Jahren sehr verändert und ist sehr unübersichtlich geworden. Man findet diese Produkte mittlerweile überall im Einzelhandel, einiges wird aber auch nur exklusiv online verkauft. Es fehlen klare Abgrenzungen, was genau dazugehört und welche Untermärkte es gibt. Insgesamt befindet sich dieser Bereich noch im Entstehen und ist bisher kaum reguliert.
Wie bewerten Sie solche Pulverprodukte als ganze Mahlzeit aus gesundheitlicher Sicht?
Aus gesundheitlicher Sicht empfehle ich so etwas selten und sehe Pulverprodukte eher kritisch. Sie können zwar in speziellen Situationen sinnvoll sein, aber generell fehlt ihnen der Mehrwert klassischer Lebensmittel. Denn auf die ist unser Organismus, sowohl was die
Verdauung als auch den Stoffwechsel angeht, eingestellt und nicht auf stark verarbeitete Produkte. Bei Pulverprodukten oder generell stark verarbeiteter Nahrungsmitteln gehen oft wichtige Inhaltstoffe, wie bspw. die Zellstruktur und auch Nährstoffe verloren. Gleichzeitig wird Zucker, leichter verfügbar gemacht, was definitiv nicht positiv ist. Im Großen und Ganzen sehe ich Pulverprodukte als eine suboptimale Alternative.
Ist es in der heutigen Zeit überhaupt realistisch, sich ausschließlich von Rohkost oder natürlichen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse oder unveränderten Produkten zu ernähren?
Nein, das muss man auch nicht. Es ist in der heutigen Zeit kaum realistisch, sich ausschließlich von naturbelassenen Lebensmitteln wie Rohkost, Obst oder Gemüse zu ernähren. Natürliche Lebensmittel – wobei ich den Begriff ‚natürlich‘ nicht so gerne verwende, da er oft
missverstanden wird – müssen nicht direkt aus der Natur stammen oder unverändert sein. Oft handelt es sich um gezüchtete Nutzpflanzen, die auch konventionell angebaut werden. Es geht dabei um eine Vielfalt an Lebensmitteln und nicht nur um Rohkost. Natürlich greifen wir im Alltag auch oft auf hochverarbeitete Lebensmittel zurück. Das ist an sich auch nicht problematisch, solange es in einem ausgewogenem Verhältnis bleibt. Ich will das auch gar nicht zu sehr verteufeln aber aus gesundheitlicher Sicht sind einfach wenig verarbeitete Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Getreide und einfache Grundprodukte besser und sollten den Großteil unserer Ernährung ausmachen.
Warum greifen dennoch so viele Menschen zu diesen Produkten?
Ein entscheidender Faktor ist die Zeit. Unsere Lebensumstände haben sich stark verändert – alles muss schnell gehen, und viele haben weder die Zeit noch die Lust, selbst zu kochen. Pulverprodukte bieten eine bequeme, einfache und schnelle Lösung. Hinzu kommt, dass der Markt stark von Werbung beeinflusst wird, die solche Lösungen verspricht. Das spricht vor allem junge Menschen an, die Wert auf Effizienz und Nachhaltigkeit legen.
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Schwächen von Pulverprodukten?
Zum einen ist der Verarbeitungsgrad ein Problem. Je höher ein Lebensmittel verarbeitet ist, desto mehr geht verloren – nicht nur an Nährstoffen, sondern auch an wichtigen sekundären Pflanzenstoffen. Es fehlt oft der Kauvorgang, der für unsere Verdauung und das Hungergefühl wichtig ist. Viele Produkte enthalten außerdem zu viel Zucker sowie Süß- und Zusatzstoffe.
Welche Gefahren sehen Sie bei der unregulierten Einnahme von Pulvern die zur Nahrungsergänzung dienen?
Zum einen besteht bei der unregulierten Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln besteht das Risiko einer Überdosierung, vor allem bei fettlöslichen Vitaminen wie A, D, E und K. Diese werden im Körper gespeichert und können gesundheitsschädlich sein. Eine Überdosierung von Vitamin D kann beispielsweise zu schweren Leberschäden führen. Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel ist aus meiner Sicht unzureichend reguliert. Viele frei verkäufliche Produkte überschreiten nicht nur die tägliche Zufuhrempfehlung, sondern
teilweise sogar die toxische Dosis, was ernsthafte gesundheitliche Risiken birgt. Daher sollte die Einnahme solcher Produkte immer ärztlich begleitet und auf Basis einer vorherigen Blutuntersuchung erfolgen.
Zum anderen sehe ich die Gefahr, dass ausgewogene Ernährung durch solche Produkte vernachlässigt wird. Naturbelassende, möglichst unverarbeitete Lebensmittel sollten immer die Basis bilden. Pulverprodukte können das nicht ersetzten, sondern höchstens ergänzen.
Gibt es Empfehlungen, worauf Verbraucher achten sollten, wenn sie solche Produkte in ihre Ernährung einbauen wollen?
Verbraucher sollten immer die Zutatenliste und die Nährwerte genau prüfen. Kritisch sind hoher Zucker- oder Süßstoffgehalt und viele Zusatzstoffe. Besser sind Produkte mit Ballaststoffen und hochwertigen Proteinquellen. Bei pflanzlichen Eiweißpulvern ist es wichtig, dass verschiedene Eiweiß-Quellen kombiniert werden, um alle essenziellen Aminosäuren abzudecken. Dafür sind meist mehrere Produkte nötig. Das gelingt zum Beispiel durch die Zunahme von Nüssen oder Getreide.
Wie bewerten Sie die Zukunft von Pulverprodukten?
Ich denke, dieser Markt wird weiter wachsen, vor allem, weil er auf die Bedürfnisse moderner Verbraucher eingeht. Dennoch sehe ich langfristig die Gefahr, dass natürliche Lebensmittel zunehmend verdrängt werden. Es ist wichtig, Verbraucher frühzeitig besser aufzuklären und gesetzliche Vorgaben zu verbessern, um die Risiken zu minimieren und die Transparenz zu erhöhen.