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Vitalere Bienen durch Sensorik 

Das Bienensterben hat weitreichende Folgen für die Natur und uns Menschen. Digitalisierung, Sensorik und KI zeigen Lösungen auf, die Imker bei der Überwachung ihrer Völker unterstützen. Doch wie kann das funktionieren und was bringt es mit sich?

Ein Gastbeitrag von Annemarie Neumann

Wetterumbruch – Auch wenn vor einigen Wochen die Temperaturen fast frühlingshaft waren, so hat der Winter und die Kälte und ab und an auch der Schnee den diesjährigen Februar wieder komplett im Griff. In der unscheinbaren Behausung auf der frostigen, leicht schneebedeckten Wiese in Süddeutschland scheinen alle noch Winterruhe zu halten. Denn am Eingang zeigen sich die Bewohner eher spärlich. Doch der äußere Eindruck täuscht.

Ein reges und ununterbrochenes Summen und Brummen des Bienenvolkes zu dieser Jahreszeit lässt wohl die meisten Hobbyimker aufatmen. Das Volk hat es durch den größten Teil des Winters geschafft, auch wenn die toten Artgenossen vor der Haustür erst einmal das Gegenteil vermuten lassen. Und noch ist auch keine Entwarnung in Sicht, die zwischenzeitlich relativ warme Phase von zweistelligen Plusgraden könnte die Bienenvölker durcheinandergebracht haben. Ob das Volk im Frühjahr überlebensfähig geblieben ist, steht im Moment noch auf der Schwebe.

Dabei ist es ganz normal, dass im Winter einige Bienenvölker nicht überleben. Im Winter 2020/2021 starben in Deutschland nach Angabe des Deutschen Imkerbundes  etwa 14 Prozent aller Bienenvölker. Hoch gerechnet auf die Gesamtpopulation waren das rund 170.000 Bienenvölker, die dann im Frühjahr und Sommer zur Bestäubung fehlten.

Gründe für das Bienensterben

Doch der Winter an sich ist nicht der ursprüngliche Auslöser für das Bienensterben. Vielmehr sind es Schädlinge und die veränderten Lebensbedingungen, wie Insektizide, die veränderte Blütezeit durch den Klimawandel und andere Veränderungen in der Landwirtschaft, die den Bienen zu schaffen machen. Man könnte jetzt vermuten, die Biene ist doch ein kleines Lebewesen, da macht die eine mehr oder weniger nichts aus. Doch „rund 85% der landwirtschaftlichen Erträge im Pflanzen- und Obstbau hängen in Deutschland von der Bestäubung der Honigbiene ab“ erklärt der deutsche Imkerbund auf seiner Webseite. Das bedeutet im Umkehrschluss, würden die Honigbienen mehr und mehr aussterben und die Populationen zurückgehen, so wären lediglich 15 Prozent der ursprünglichen Erträge für uns Menschen gesichert. Aufgrund der Bestäubungsleistung sind Bienen für uns Menschen essenziell.

So wird jeder Imker, ob als Hobby oder berufstätig in den kommenden Wochen bangen, ob die Bienen es wohl durch den Winter geschafft haben. Der erste Blick unter den Deckel des Bienenkastens wird es zeigen.

Um zu überprüfen, ob die Bienen bei guter Gesundheit sind, ist im Moment noch das invasive Monitoring vor Ort nötig. Doch jeder Eingriff in die natürliche Umgebung der Bienen setzt diese unter Stress. Genau an dieser Stelle schafft die Digitalisierung beispielsweise Abhilfe.

Forschungen zu Digitalisierung und Bienen

Professor Claus Brell von der Hochschule Niederrhein hat in Zusammenarbeit mit dem Bienenland van den Bongard das Projekt Biene40 ins Leben gerufen. Dabei soll vernetzte Sensorik helfen, mehr über das eigene Bienenvolk zu erfahren und früher Belastungszustände für das Bienenvolk zu erkennen. Der Auslöser für das Projekt war unter anderem, wie Prozesse bei der Königinnenzucht verbessert werden können und ob die allgemeinen Literaturangaben dabei stimmen.

Prell mit Prototyp der Temperaturlanze Foto: C.Brell
Prell mit Prototyp der Temperaturlanze. Foto: C.Brell

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fördert das Projekt bis Ende Februar 2024. Neben dem Forschungsprojekt Biene40 gibt es auch noch weitere Projekte, die mit dem Einsatz von Sensoren und Künstlicher Intelligenz, Hilfen für die Bienenhaltung erforschen.

Laut Brell unterscheiden sich solche Projekte doch in der Ausrichtung. So verdeutlicht er, „Technik hat nie einen Selbstzweck, sondern muss dem Menschen und dem Tierwohl dienen“, und daher sollen die Sensoren nach der Förderzeit an die breite Imkermasse vermarktet werden können.

Die Prämisse des Projekts lautet daher „besonders einfach, und wenn es dann realisierbar ist: kostengünstig“. Damit das funktioniert, arbeitet die Hochschule Niederrhein als Koordinator des Gesamtprojekts zusammen mit dem Sensorikentwickler clabremo aus Mönchengladbach, dem Bienenland van den Bongard in Willich-Anrath zur Bienenfachlichen Begleitung und dem Fachzentrum Bienen und Imkerei in Mayen zur Bienenwissenschaftlichen Beratung zusammen.

Die Technik hinter Biene40

In der Praxis sieht die Verwendung der Technologien dabei folgendermaßen aus. In und an der Bienenbeute, dem umgangssprachlichen Bienenkasten, werden Sensoren installiert. Diese messen die Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Sound-Frequenzen. Zudem zeichnet die Technologie Videoaufnahmen des Fluglochs auf. Die Daten werden dann zentral über das Internet gesammelt und in Beziehung zueinander und zu externen Daten, wie Wetterdaten, gesetzt. Dabei wird sich verschiedenen Netzen bedient, da „nicht jede Technik an jedem Ort vorhanden ist“, so beschreibt Brell die Schwierigkeiten in der freien Natur.

Drei kleine Laborbeuten mit Solarsensor Foto: C.Brell
Drei kleine Laborbeuten mit Solarsensor Foto: C.Brell

Durch KI und Big Data sollen die Daten noch am Bienenstandort eine für den Imker relevante Auswertung durchführen. Eine Datendrehscheibe dient als Austauschplattform zwischen dem Imker und den Informationen seiner Kästen. Die Austauschplattform informiert auch den Imker, sobald diese besondere Kennzahlen bei den Parametern erhebt.

Die Tierwirtmeisterin Iris van den Bongard vom Bienenland sieht für sich als Imkerin besonders die Frühwarnsysteme für Futtermangel, Schwarmtendenzen und Vandalismus als große Bereicherung. Denn im Winter können so frühzeitig Veränderungen in der Beute festgestellt werden. So können Rückschlüsse auf den Versorgungszustand der Bienen gezogen werden. Schwärmt ein Bienenvolk zu dem, so nimmt die Überlebenschance des Volkes immer weiter ab und unbeobachtete Schwärme sind in Deutschland meist dem Untergang geweiht. Neben den natürlichen Begebenheiten können die Sensoren aber auch eine gewisse Sicherheit gegenüber Diebstahl und Vandalismus darstellen, denn die Temperaturveränderung durch kaputte Beuten oder gestresste Bienenvölker lässt sich so früher bemerken und eventuell noch rechtzeitig reagieren.

Wärmebildaufnahme von drei Bienenstöcken. Foto: C.Brell
Wärmebildaufnahme von drei Bienenstöcken. Foto: C.Brell

Angst, dass die Sensoren und Kabel die Bienen stören könnten, hat sich in den bisherigen Ergebnissen nicht bewahrheitet laut van den Bongard: „Bisher haben wir nicht feststellen können, dass die Technik die Bienen in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigt oder dass die Sensoren stören würden. Die Bienen kennen das auch von anderen Sachen.“ Denn für die Behandlung von Schädlingen wird auch fremdes Material, meist in Form von Streifen, in die Beute gehängt.

Die Imkerei im Blick behalten

Vermutlich, da sind sich die beiden Projektpartner Brell und van den Bongard eigentlich einig, sind die Imker mehr von der Technik betroffen und gestört als die Bienen. Denn wie der Hochschulprofessor erklärt, sind Kabel oder auch größere Sensoren in den Bienenkästen bei der eigentlichen Imkerei etwas im Weg. Wie er selbst beim Einbau festgestellt hat oder bei Praxisworkshops mit Imkern zu den Prototypen hervorkamen, „nerven diese Kabel ungemein. Also da müssen wir noch Konzeptänderung machen. Einfach, kabellos und jetzt kommt das dritte, das Ding darf nicht groß sein.“ Diese Rückkopplung ist essenziell für den langfristigen Erfolg auf dem Markt später. Dies verdeutlicht auch nochmals die Herangehensweise durch die angewandte Forschung: „Der Imker steht bei uns ganz vorne auf der Agenda. Das Projekt hat keinen Selbstzweck“. So würden die Projektpartner auch Ideen über den Haufen werfen, die von der Praxis abgelehnt werden.

Insgesamt erhofft sich die Forschungsgruppe, dass es durch die Technik mehr Imker gibt und so die Bestäubungsleistung steigt. Durch den Umgang mit den Bienen wird vermutlich auch das Bewusstsein allgemein für Bestäuberinsekten gestärkt. Außerdem dienen Projekte wie dieses dazu, Landwirtschaft und Imkerei in Deutschland zu stärken. Denn Bienen wissen deutlich mehr als Menschen oder einsetzbare Sensoren über lokale Wettergeschehnisse oder allgemein Verhältnisse am Standplatz der Bienen. „Durch Beobachtung von Bienen gewinne ich Erkenntnisse über beispielweise einen Acker, sofern dort einer ist. Als Mensch kann ich das nicht rund um die Uhr. Die Sensoren beobachten also die Bienen und dann schließe ich rück auf die Verhältnisse am Acker und dann sind wir auch bei Smart Farming und Landwirtschaft 4.0. Dass wir die Bienen dort als Biosensoren einsetzen“, blickt Brell hoffnungsvoll in die Zukunft.

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